Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
einem Strom sangen, und ich stellte mir vor, dass am Ufer, wenn es sich in Europa befände, vermutlich ein verlassenes Dorf läge mit einem aufgelassenen Gasthof, über dessen noch als Negativ im Fassadenputz sichtbaren alten Namen jetzt Romantik-Villa stand und in dessen Nebenräumen illegale Prostituierte ihre unfreie Tätigkeit ausübten, während ein Schild über dem Eingang zum Parkplatz verkündete, dass das Gebäude klimatisiert sei.
Und dann kehrte er zurück, neben ihm einer der Sicherheitsleute, der mit seinem Nachtsichtgerät herumspielte, Duncan teilte uns mit, dass dies John sei, und nötigte ihn, sich zu uns zu setzen. Was soll hier schon passieren, sagte er, und warf dem Mann eine Bierdose zu, und tatsächlich passierte nichts, nicht einmal ein Ranger tauchte auf, trotz des charakteristischen Aufreißgeräusches der Blechlaschen, das man sicher meilenweit hören konnte und das als verbotener akustischer Fremdkörper jeden hellhörigen Wildhüter angelockt haben müsste. Auch als drei weitere Leibwächter, von John herbeigerufen, nacheinander erschienen und sich in einigem Abstand niederließen, passierte nichts, außer dass einer von ihnen begann, auf der Gitarre zu spielen und zwar wesentlich besser, als Duncan das getan hatte. Die Kinder fragten John nach seiner Ausrüstung, und der, ein kräftiger Mann Mitte Dreißig, erteilte ihnen bereitwillig Auskunft, ließ sie die Stücke begutachten, Nachtsichtgerät und Waffe und einiges Kleinzeug, das ich nicht näher zuordnen konnte, und ich war froh, dass der Jägermeister nicht zu uns stieß. Duncan ließ sich zeigen, wie man einen Revolver abfeuert, und einer der Jungen fragte John, warum die in die Nachtluft verschossenen Kugeln uns nicht auf den Kopf fielen. Zwei der Sicherheitsmänner unterhielten sich gedämpft, während der Gitarrist leise klimperte, ein Hintergrundgeplätscher, das unvermittelt abriss. Niemand kam, um nach dem Rechten zu sehen.
Dann doch lieber Helicopter-Skiing in Kanada. Lieber ehrlich dekadent als unehrlich naturnah, das sagte ich zu Duncan, später, und er lachte und sagte, das sähe mir ähnlich. Sein schottischer Name war nur das Vermächtnis eines Urgroßvaters, wenn ich mich recht erinnere.
Als die Jungen eingeschlafen waren, klammerte er sich plötzlich an mich und begann vor den sicherlich weit offenen Ohren der Leibwächter, die immer noch an den Glutresten herumsaßen, zu schluchzen, kleine, tiefe Unglückswellen erschütterten seinen mageren Oberkörper. Sein Ausbruch machte mich sprachlos, ich wusste nicht, wie ich ihm begegnen sollte, und kratzte an meinen Mückenstichen herum; dass man keinem Menschen trauen könne, sagte er. Und ich dachte, dass er recht hatte, dass man sich nicht einmal selbst trauen könne, doch das sprach ich nicht aus, ich wartete darauf, dass er mir erzählte, worum es ging, doch nichts kam mehr; er beruhigte sich, ging zum Fluss und wusch sich das Gesicht, dann sprach er wieder von den Bergen. Gegen Morgen erwachte der Ältere und kroch in meinen Schlafsack, die Mücken hatten uns zerfressen, und die Laute aus den Bergen waren fremd; als ich schließlich steifgliedrig vor das Zelt trat, stellte ich fest, dass Duncan schon weg war, und meinen Zorn darüber hätte ich höchstens an den verbliebenen Sicherheitsleuten auslassen können.
Stattdessen zog ich mich aus und stieg in den Fluss und freute mich über den Schock des eiskalten Wassers auf der juckenden Haut. Ich ging vorsichtig vor, dennoch wurde mir rasch klar, dass ich die Stärke der Strömung unterschätzt hatte, die heftig an der Rumpffläche angriff. Nur einen Schritt vom letzten gesicherten Stand auf den Flusskieseln entfernt packte sie mich, ich versuchte auf allen Vieren Halt zu finden an glattgeschliffenen Steinen, doch es gelang mir nicht, nur flüchtig glitten Muschelbärte, Algen, Flechtenteppiche durch die Finger. Sobald ich mich aufrichtete, schob das Wasser mich weiter, und die Kälte hatte nichts Erfreuliches mehr. Natürlich war ich zu stolz um nach Hilfe zu rufen, ich glaube, in dem Moment war ich bereit mich aufzugeben; die Kinder waren in sicherer Obhut, was sollte passieren. Auf mich kam es wirklich nicht an. Dann wurde ich ins Flache gedrückt und bekam eine vom Wasser freigelegte Wurzel zu fassen, ich zog mich hoch ohne lang zu überlegen, hätte ich nachgedacht, ich weiß nicht, ob ich das instinktive Zupackenwollen meiner Hände nicht unterbunden hätte, und jetzt erst, auf der Suche nach meiner Kleidung,
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