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Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
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und drückt sie an den Brustkorb, er schließt sich in meinen Armen ein, und ich sage ihm, dass er mir leid tut. Er dreht sich um und reißt die Augen auf, als wollte er mit aller Kraft aus einem schlechten Traum erwachen, er spricht mit mir und kratzt sich dabei am Hals.

39
    Dass er und Stuart einfach so in einen Straßenkinderhinterhalt geraten seien, berichtet Alexander leise und ein wenig überrascht. Vor einer gefälschten Absperrung an einer Baustelle. Verschanzt am Rücksitz ihrer Limousine; zum Glück, sagt Alexander, kann Stuart mit Kindern umgehen. Ja, sage ich, und sie dann verhaften: das jüngste Kind, das bei den jüngsten Plünderungen festgenommen wurde, war fünf Jahre alt. Doch es hatte gestohlen, was will man machen. Wer alt genug ist zum Stehlen, ist alt genug zum Sterben. Das hat der Bürgermeister gesagt, glaube ich. (Nein: schon wieder eine falsche Zuordnung, aber die Kommentare gleichen sich immer mehr.) Dabei ist das Kind gar nicht gestorben, höchstens ein paar Wochen in Verwahrung genommen worden. Die Eltern geloben Besserung vor den Kameras. Du wirst doch nicht an Stuart zweifeln, fragt Alexander mit diesem leeren Staunen im Blick, das ihn von jeder Schuld freisprechen soll, lass es, sage ich. Nicht mit mir.
    Stuart jedenfalls hat die Kinder, die Alexander und ihn offenbar nicht erkannten, gar nicht wussten, wer ihnen da ins Netz gegangen war, bei dem Versuch, einfach nur ein wenig zu überfallen (warum auch mit so einem Auto in so eine Gegend, ist ja blöd, inkognito, ganz ohne den üblichen Tross aus Begleitfahrzeugen), einfach auf seine Seite gezogen, indem er keine Angst gezeigt hat. Das ist der Trick, sagt Alexander, keine Angst zu zeigen. Dann die Kinder, die nun schon mit gesenkten Waffen und nicht mehr ganz so schussbereit in seiner geöffneten Tür standen (wie hat denn das passieren können, frage ich, Zentralverriegelung defekt?), in ein Gespräch über den Autotyp verwickelt, gescherzt, zum Einsteigen aufgefordert: und in das Auto hätten nicht alle hineingepasst, natürlich nicht, und in dem Moment, als sie sich um die Plätze gestritten hatten und die Waffen gegeneinander richteten, dem Chauffeur gesagt, er solle Gas geben. Den Mutigsten habe es aus der Türöffnung geschleudert, vielleicht hat Stuart nachgeholfen. Die Kugeln erreichten nur den Lack.
    Aber ich, sagt Alexander und leckt ausgiebig die Haut um meinen Nabel, die so bedürftig ist, so ausgehungert, ich habe keine Angst. Ich streiche über die geröteten Stellen seines Halses. Vielleicht setze ich ein wenig die Nägel ein; ich weiß es nicht mehr. Ja, sage ich, mein furchtloser Mann, er lächelt seltsamer als üblich, nein, ich werde niemals Angst haben, nicht wahr, niemals mehr. Es ist der Lauf der Dinge. Wer überleben will, muss früher töten. Duncan hätte das ebenso gemacht. Wo kommt denn der auf einmal her? Und Alexander sagt, Stuart habe höhere politische Ziele und er rechne mit der Unterstützung von Alexanders Sendern. In jeder Hinsicht. Ein Schritt ins Offene werde auch die Gerüchte über Stuart und Alexander verstummen lassen. Was offensichtlich sei, darüber könne man schließlich nicht spekulieren. Das sei der eigentliche Grund gewesen für die Spazierfahrt, sagt Alexander, das Besprechen der Kampagne. Stuart profiliere sich auf seine Kosten. Wie er dazu komme, fragt Alexander, nicht mich, nicht die Abhöreinrichtungen, die sind bereits entfernt worden. So muss es sein. Sonst würde er doch nicht so reden? Nein. Kein akustischer Kanal mehr offen, das steht fest. Alexander sinkt wieder auf seine Seite. Die Bauchhaut trocknet.
    Ich schlage mit der flachen Hand aufs Bett. Sein stiller Körper provoziert mich, so wirble ich die Milben aus dem Bettzeug, ich weiß schon, manchmal zischt sein Atem, und die Haut ist schweißbedeckt in der Mulde am Rückenende vor dem symmetrischen Anstieg der Gesäßmuskulatur.
    (Das Erleben muss so intensiv sein, dass es weh tut. Nur hinter unmittelbarer Gegenwart kann ich die Tatsache verstecken, dass in mir niemand mehr drin ist außer mir, und das ist nicht viel.) Er verscheucht mich wie ein Insekt, mit einer unbestimmten Handbewegung, vage und ohne Tötungsabsicht, so wichtig ist diese Insektensorte nicht, dass man gleich ans Töten denken müsste. Er sagt etwas, das ich nicht verstehen kann. Zusatzversicherungseinzelzelle, wie altweltlich: ich will ihn hier bei mir haben, doch er sagt nur, ich solle in mein Bett gehen. Das hier gehöre ihm. Ich widerspreche nicht,

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