Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
Vom Netzwerk:
Moorleiche stelle ich mir Duncans Körper vor, auch wenn ich weiß, dass das nicht stimmt, er liegt in seinem Tiefkühlsarg; man kann sich nur wünschen, die tatsächlich im Moor versenkten Menschen hätten das kreisförmige Ausstanzen der Warzenvorhöfe nicht mehr erlebt, unnötige Grausamkeit. Als Randanmerkung eine Jugendfreundschaft zwischen Stuart und Alexander. Draußen kehrt jetzt wieder so etwas wie Alltag ein.
    Und Alexander brütet, das ist nicht schwer zu erkennen. Ich will Vertrautheit, und das sage ich auch. Vergiss nicht, wer ich bin. Auf dem Rücksitz eines gepanzerten Fahrzeugs vollführte er eine Geste in meine Richtung, die wohl verbindlich sein sollte, während er telefonische Anweisungen gab: Das müsse mehr hergeben. Jemand Beteiligten, unmittelbar Beteiligten an den Unruhen müsse man hervorholen (die Unruhen flackern immer noch hier und da auf wie Irrlichter, begleitet von ein paar Mittelklassedemonstranten vor dem Weißen Haus). Ob schon abgeklärt worden sei, wie das mit Familien aussähe? Ann? fragte ich tonlos, er bestätigte nickend meine Vermutung, und ich spürte das kurze Ziehen eines Glückssplitters in mir, dieselbe Denkungsart, doch etwas anderes zog auch noch. Und in dem Moment entdeckte ich Jeremias, erkannte ihn auch sofort, was wohl daran lag, dass er in Turmnähe auftauchte, in der Umgebung, in die er meiner Erinnerung nach gehört. Ich weise Alexander auf Jeremias hin, doch er reagiert nicht, tippt etwas in sein Gerät, dann lächelt er mich an, und seine Schönheit erschüttert mich. Er küsst meinen Scheitel, bevor ich aussteige. Jetzt wird es wirklich Zeit für einen Schnitt.
    Ich leiste einer Vorladung Folge und sehe mich einem völlig Fremden gegenüber, was mir die Angst zu Kopf steigen lässt, bevor ich routiniert Gefallsucht und Spieltrieb den Vortritt lassen kann: was ich zum Vorleben meines Mannes zu sagen hätte (und mit dem Spieltrieb kommt die Leichtigkeit, ich lasse mein Lächeln für mich sprechen). Ob ich wisse, dass Polizeichef Superintendant Stuart und Alexander gemeinsam studiert hätten. Nein, sage ich, davon wisse ich nichts. Superintendant Stuart, wo kommt die Frage her, ich denke darüber nach, ob der Mann vor mir auf eigene Faust handelt (was ist er eigentlich, kein Namensschild vorhanden, kein Rangabzeichen, das ich deuten könnte) oder ob das Vorgehen mit Vorgesetzten akkordiert ist, und wenn, was das bedeuten könnte, Rivalitäten, in jedem Fall? Ich leere mein Gesicht bis auf die nichtssagende gutwillige Freundlichkeit, die mir Behörden gegenüber schon vor langer Zeit zur Gewohnheit geworden ist, während der Polizist seinen Laptop konsultiert, Mails abruft, Kurznachrichten online stellt, was weiß ich. Gut: Stuart. Ich bin gebrieft. Nein, sage ich etwas zögerlich, davon hätte ich noch nichts gehört, aber ich denke, sie waren in ein und derselben Armeeeinheit. Das stimmt sogar. Klar, irgendwo muss man das sachgerechte Schächten schließlich lernen. Die Schnittführung.
    Ich denke an Alexander und muss sagen, er ist schön und frisch und voller Leben, glühend. Alexander, heißt es, baue seinen Einfluss auf dem chinesischen Meinungsmarkt aus, während China sich die besten Stücke aus der europäischen Demokratiekonkursmasse herauspickt. Da haben alle was davon (das Ratingspiel hat die Einigung beschleunigt), und Duncans Firma obliegt die Interpretation. Ich muss doch eine Vorstellung von mir in diesem Bild gehabt haben. Alexander strahlt. Es kann nicht nur die Perfektion meines Plans gewesen sein, in die ich mich verliebt habe. Allein für den Perfektionsgrad müsste er mich höchstpersönlich auf den Thron heben. Ich lege Wert auf technische Details, seine Sache ist das nicht, er tut da unbekümmert; sollen andere den Dreck wegräumen. Männliche Sozialisation. Alexander gibt sich immer noch diesen Unfertigkeitsanschein, der es erforderlich macht, dass er sich fortlaufend transformiert (in ansteigender Richtung), und das mit einer Unbekümmertheit, die mich atemlos macht. Dann fragt er mich auf einmal, ob ich mit ihm spielen will, mein Mörder. Und ich will. Die Vertrautheit muss doch wieder herstellbar sein.
    Und wirklich: In der Fernsichtbadewanne am nächsten Wintersonntagmorgen amüsieren wir uns über die eigenen Fehleinschätzungen. Bei all dem Erfolg, den wir offenbar haben, können wir großzügig sein; das Ausmaß der Medienflutwelle hat uns beide überrollt. Die Unruhen haben das Vorbeben unter ihrem Schutt begraben, und erst nach

Weitere Kostenlose Bücher