Die Königin von Theben
Und doch fühlte Chomu ein gewisses Unbehagen. Dank des bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwungs konnte er zwar recht gut sein Leben fristen; aber er fragte sich, warum der König Teti die Kleine und ihre Tochter nicht davongejagt hatte. Seine Freunde antworteten ihm, dass sie die Enklave ordnungsgemäß verwalteten und den neuen Pharao in allen Bereichen zufrieden stellten. Theben war schließlich nur ein Marktflecken in der Provinz, weit weg von Auaris, es zählte nicht zu den Orten, die das Interesse des Königs auf sich zogen.
Jeder hatte genug zu essen – warum sollte man sich da nicht mit dem Wohlwollen der Hyksos zufrieden geben, die die um ihre Existenz kämpfende kleine Stadt offensichtlich fast vergessen hatten?
Chomu knetete nachdenklich seinen roten Bart.
Der König musste von der Existenz eines Mannes wie ihm selbst erfahren, er musste ihm Verantwortlichkeiten übertragen, die seiner Einsatzbereitschaft entsprachen! Aber wie sollte er Apophis kontaktieren? Es war äußerst riskant, die Enklave Theben zu verlassen, und Chomu war kein Liebhaber von Gefahr.
Vorderhand konnte er nur noch mehr Thebaner davon überzeugen, dass es geraten war, sich den Kollaborateuren anzuschließen.
»Bist du sicher, ganz sicher?«, fragte Emheb den Späher.
»Absolut sicher. Es waren zwei nubische Krieger. Sie haben etliche Male den Beobachtungsposten gewechselt, sodass sie die Stadt von verschiedenen Stellen aus eingehend betrachten konnten.«
Also würde wirklich das eintreffen, was Emheb schon lange ängstigte. Die Nubier hatten vor, ihr Territorium über Elephantine hinaus nach Norden auszudehnen.
Edfu, Nekheb, Theben … Leichte Beute, alle drei Städte!
Leicht, aber giftig.
Edfu zu umzingeln hieß, die Hyksos auf den Plan zu rufen. Sobald sie vom Fall der Stadt erfuhren, würden sie Admiral Jannis schicken, mit dem Befehl, die Nubier zu vernichten und den Süden völlig zu zerstören.
Um zu verhindern, dass die Nubier angriffen, musste man den König zu Hilfe rufen, die Intervention Jannas' selbst auslösen! Er würde Emheb und die übrigen Aufständischen enttarnen, die Einwohner Edfus niedermetzeln und die ganze Region, einschließlich Thebens, mit Feuer und Schwert überziehen.
Von den Nubiern vernichtet zu werden oder von den Hyksos … War etwas anderes noch denkbar?
41
S chau, Mama, schau doch! Es ist Graukopf!«
Der kleine Kamose hatte sich mit der Brieftaube angefreundet, die häufig zwischen Edfu und Theben hin und her flog. Sie landete im Palastgarten und ließ sich, stolz auf die vollbrachte Leistung, von dem Jungen streicheln.
Kamose hatte gelernt, den Faden aufzuknüpfen, der eine kleine Papyrusrolle an den rechten Fuß der Taube band. Wenn es der linke Fuß gewesen wäre, hätte Ahotep sofort gewusst, dass der Urheber der Botschafter nicht Emheb war.
Selbstverständlich war der Text in Geheimschrift verfasst und enthielt, dreimal und inmitten von Worten ohne Bedeutung, die Erkennungshieroglyphe der Aufständischen.
Was die Königin las, ließ sie vor Schreck erstarren.
Und Seqen, Teti die Kleine, Qaris und Heray lauschten aufmerksam, als Ahotep ihnen mit erstickter Stimme die verheerende Nachricht Emhebs vorlas.
»Wir haben uns nicht getäuscht«, sagte der König. »Apophis hat Theben bisher nur verschont, um es im Kampf gegen die Nubier als Köder zu benutzen.«
»Sind wir in der Lage, uns den Nubiern zu widersetzen?«, fragte Heray ohne viel Hoffnung.
»Ich habe nur ungefähr hundert richtige Soldaten. Selbst wenn wir Emhebs Männer als Verstärkung bekommen, werden wir beim ersten Zusammenstoß vernichtend geschlagen werden.«
»Kein Volk, sagt man, kommt an Grausamkeit den Nubiern gleich«, bestätigte Qaris. »Wir müssen die Flucht der königlichen Familie vorbereiten.«
»Und die Thebaner?«, rief Ahotep empört.
»Selbst wenn wir versuchen würden, die Stadt zu evakuieren, würden die Bewohner doch sehr schnell gefunden und niedergemacht werden, entweder von den Hyksos oder von den Nubiern oder von allen beiden.«
»Dann sollen sie zu den Waffen greifen und unter unserem Kommando kämpfen!«
»Die Zivilisten sind unfähig, das zu tun«, widersprach Heray. »Vergesst nicht, Majestät, dass die Anhänger der Kollaboration sich weigern werden mitzumachen. Sie werden ihre Mitbürger vielmehr davon zu überzeugen suchen, dass auch sie aufgeben, um ihr Leben zu retten.«
»Qaris hat Recht«, gab Seqen zu. »Ahotep, ihre Mutter und unser Sohn müssen Theben verlassen. Ich
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