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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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Wörtern. Viele von ihnen breiteten sich beim Wiederlesen in ihr aus und erfüllten sie auf eine Art, die ihr vage vertraut vorkam, als fühlten sie sich in ihr wohl, als erinnerten sie sich daran, schon früher dort gewesen zu sein; und wenn das geschah, behielt sie das Buch fürs Erste in ihrem Wohnzimmer, anstatt es in die Bibliothek zurückzubringen. Nur sehr wenige waren so diffus wie Das Buch der wahren Dinge . Die meisten hatten einen erzieherischen Anspruch. Eins beschrieb in einfachen Worten auf dicken cremefarbenen Seiten alle sieben Königreiche. Auf einer Seite war eine farbige Abbildung von einem Lienid-Schiff auf einem Wellenkamm, aus der Perspektive eines Seemanns hoch oben in der Takelage gezeichnet – die Seeleute auf dem Deck darunter mit Ringen an jeder Hand und Steckern in jedem Ohr waren mit dem kleinsten Pinsel der Welt gemalt und mit echtem Gold geprägt worden. Bitterblue konnte sich erinnern, dass sie das Buch als Kind geliebt und immer und immer wieder gelesen hatte.
    Oder war es ihre eigene Reise auf einem Lienid-Schiff auf der Flucht vor Leck, die das gute Gefühl in ihrem Innern hervorrief? Wie deprimierend, ein vertrautes Gefühl zu verspüren, ohne den Grund dafür herausfinden zu können. Ging das allen Menschen so oder war es eine von Lecks besonderen Hinterlassenschaften? Bitterblue sah aus zusammengekniffenen Augen zu den leeren Bücherregalen an den Wohnzimmerwänden hinüber und war sich sicher, dass die Regale nicht leer gewesen waren, als diese Räume noch ihrer Mutter gehört hatten. Was für Bücher hatte ihre Mutter auf diesen Regalbrettern stehen gehabt und wo waren sie jetzt?
    In der nächsten Woche wurde die Bibliothek zu Bitterblues täglichem festen Ziel außerhalb ihres Schreibzimmers, denn Rood hatte keine interessanten Fälle am Obersten Gericht anzubieten und sie hatte keine Lust, mit Runnemood die Kanalisation zu inspizieren, die Räume zu sehen, wo Darby Papiere ablegte oder welche Aufgaben Thiel ihr sonst so vorschlug.
    Als sie am vierten Tag die Bibliothek betrat, bewachte der Kater den Eingang. Er fletschte bei Bitterblues Anblick die Zähne und die Haare standen ihm zu Berge. Sein zerzaustes Fell war eine Mischung aus Flecken und Streifen und schien ihm irgendwie falsch am Körper zu sitzen, als trüge er einen schlecht geschnittenen Mantel.
    »Hör mal, das hier ist meine Bibliothek«, sagte Bitterblue und stampfte mit dem Fuß auf. Der Kater sprang erschrocken davon.
    »Eine nette Katze haben Sie da«, sagte sie zu Todd, als sie an seinem Schreibtisch anlangte.
    Todd streckte ihr mit spitzen Fingern ein Buch entgegen, als würde es stinken.
    »Was ist das?«, fragte Bitterblue.
    »Der nächste Band zum Wiederlesen, Königin«, sagte Todd. »Geschichten, die Ihr Vater, der König, verfasst hat.«
    Nach einem winzigen Zögern nahm sie ihm das Buch ab. Als sie die Bibliothek verließ, stellte sie fest, dass sie es ebenfalls etwas entfernt vom Körper trug und es an den äußersten Rand ihres Wohnzimmertischs legte.
    Sie konnte es nur in kleinen Portionen ertragen. Sie bekam Albträume davon, so dass sie es nicht länger im Bett las und das Buch auch nicht neben ihrem Bett liegen ließ, wie sie es mit den anderen zu tun pflegte. Lecks Schrift mit den großen, leicht schrägen Buchstaben war ihr so vertraut, dass sie träumte, alle Wörter, die sie je gelesen hatte, wären in seiner Handschrift geschrieben worden. Sie träumte auch, dass sich die Adern ihres eigenen Körpers blau unter ihrer Haut abzeichneten und zu dieser Schrift schlängelten und wanden. Aber dann hatte sie noch einen Traum: von Leck, der sich groß wie eine Mauer über die Seiten beugte und die ganze Zeit Buchstaben schrieb, die sich bewegten und abfielen und die, wenn Bitterblue versuchte sie zu lesen, gar keine Buchstaben waren. Dieser Traum war mehr als ein Traum, es war eine Erinnerung. Bitterblue hatte die seltsamen Zeichen ihres Vaters einmal ins Feuer geworfen.
    Die Geschichten in dem Buch handelten von dem üblichen Unsinn: farbigen fliegenden Monstern, die sich gegenseitig zerfleischten. Farbigen eingesperrten Monstern, die nach Blut schrien. Aber er hatte auch wahre Geschichten geschrieben. Er hatte Geschichten über Katsa aufgezeichnet! Von gebrochenen Hälsen, gebrochenen Armen, abgehackten Fingern; von dem Cousin, den Katsa als Kind versehentlich getötet hatte. Er hatte die Geschichten mit deutlicher Bewunderung für Katsas Fähigkeiten geschrieben. Bitterblue schauderte es, als

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