Die Königliche (German Edition)
sie seine Verehrung für Dinge spürte, deren Katsa sich so sehr schämte.
Eine seiner Geschichten handelte von einer Frau mit unglaublichen roten, goldenen und rosa Haaren, die Menschen mit ihrem giftigen Bewusstsein kontrollieren konnte und auf ewig allein lebte, weil ihre Macht so abscheulich war. Das konnte nur die Frau auf dem Wandbehang in der Bibliothek sein, die Frau in Weiß. Aber diese Frau hatte kein Gift im Blick; diese Frau war nicht abscheulich. Es beruhigte Bitterblue, vor dem Wandbehang zu stehen und sie zu betrachten. Entweder hatte Leck sie dem Künstler falsch beschrieben oder der Künstler hatte sie absichtlich abgewandelt.
Wenn sich Bitterblue abends schlafen legte, tröstete sie sich manchmal mit jenem anderen Traum, den sie in der Nacht gehabt hatte, als sie bei Teddy und Saf übernachtet und geträumt hatte, ein Baby in den Armen ihrer Mutter zu sein.
Eine Woche, die sie mit Lektüre verbrachte, verstrich, bevor Bitterblue wieder in die Stadt ging. Sie hatte versucht, Saf mit Hilfe des Lesens aus ihren Gedanken zu vertreiben. Es war ihr nicht gelungen. Es gab da etwas, worüber Bitterblue unentschieden war, etwas unbestimmt Beunruhigendes, obwohl sie nicht genau wusste, was es war.
Als Bitterblue schließlich in die Druckerei zurückkehrte, bedeutete das allerdings nicht, dass sie irgendetwas entschieden hatte; sie konnte einfach nicht anders. Nacht für Nacht im Schloss zu bleiben war beklemmend, sie verzichtete nicht gern auf den Kontakt mit den nächtlichen Straßen und außerdem vermisste sie Teddy.
Bei ihrer Ankunft arbeitete Tilda gerade an der Druckerpresse. Saf war nicht da, was Bitterblue einen kleinen Stich der Enttäuschung versetzte. Im Hinterzimmer half Bren Teddy dabei, Brühe aus einer Schale zu trinken. Er lächelte Bren glückselig an, als sie die Tropfen auf seinem Kinn mit einem Löffel aufnahm, woraufhin Bitterblue sich fragte, welche Gefühle Teddy wohl für Safs Schwester hegte und ob diese sie erwiderte.
Bren war liebenswürdig, aber unerbittlich, was Teddys Abendessen anging. »Du wirst das aufessen«, sagte sie ausdruckslos, als Teddy unruhig wurde, seufzte und begann den Löffel zu ignorieren. »Du musst dich mal rasieren«, fügte sie dann hinzu. »Mit dem Bart siehst du aus wie eine Leiche.« Es waren nicht gerade besonders liebevolle Worte, aber sie zauberten ein Lächeln auf Teddys Gesicht. Bren lächelte auch, stand auf und küsste ihn auf die Stirn. Dann ging sie zu Tilda in die Druckerei. Bitterblue und Teddy blieben allein zurück.
»Teddy«, sagte Bitterblue, »du hast mir mal gesagt, dass du ein Buch der Wörter und außerdem ein Buch der Wahrheiten schreibst. Ich würde gern dein Buch der Wahrheiten lesen.«
Teddy grinste erneut. »Wahrheiten sind gefährlich«, sagte er.
»Warum schreibst du sie dann in ein Buch?«
»Um sie zwischen den Seiten zu fangen«, sagte Teddy, »und sie einzusperren, bevor sie verschwinden.«
»Wenn sie gefährlich sind, warum sollten sie dann nicht verschwinden?«
»Weil Wahrheiten, die verschwinden, Leerstellen hinterlassen, und das ist auch gefährlich.«
»Das ist mir zu poetisch, Teddy.« Bitterblue seufzte.
»Ich gebe dir eine einfachere Antwort«, sagte Teddy. »Ich kann dich mein Buch der Wahrheiten nicht lesen lassen, weil ich es noch nicht geschrieben habe. Es ist alles in meinem Kopf.«
»Sagst du mir wenigstens, um was für eine Art Wahrheiten es geht? Sind es Wahrheiten über das, was Leck getan hat? Weißt du, was mit all den Leuten passiert ist, die er entführt hat?«
»Ich denke, die Einzigen, die das wissen, sind diese Leute selbst, meinst du nicht, Sparks? Und sie sind nicht mehr da.«
In der Druckerei wurden Stimmen laut. Die Tür ging auf, das Zimmer wurde mit Licht erfüllt, und Saf trat ein. »Na prima«, sagte er und bedachte die Szenerie am Bett mit einem bösen Blick. »Hat sie dir deine Arzneien gegeben und dich dann ausgequetscht?«
»Eigentlich habe ich Arzneien für dich mitgebracht«, entgegnete Bitterblue und griff in die Tasche. »Gegen deine Schmerzen.«
»Oder als Bestechungsgeld?«, fragte Saf und verschwand in dem kleinen Schrank, der als Speisekammer diente. »Ich habe einen Bärenhunger«, ertönte seine Stimme, gefolgt von einem beachtlichen Scheppern.
Kurz darauf steckte er den Kopf heraus und sagte ernsthaft: »Sparks, sag Madlen vielen Dank, ja? Und sie soll uns was berechnen. Wir können sie bezahlen.«
Bitterblue legte den Finger auf die Lippen. Teddy war
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