Die Königsmacherin
Veränderungen in ihrem Leben, die erschöpfende Arbeit und die Angst um die ungewisse Zukunft hatten ihre Blutungen ausbleiben lassen. Sie gestand sich endlich ein, daß der Mann am Bach sie tatsächlich geschwängert hatte.
»Wenn du die Zukunft schauen kannst«, fuhr Frau Berta im Plauderton fort, »sag mir doch, du junge weise Frau, wer als nächster Gast hier in Mürlenbach eintreffen wird?«
»Herr Karlmann«, murmelte Bertrada verstört den ersten Namen, der ihr einfiel.
Er kam tatsächlich schon am nächsten Tag und zeigte sich höchst verwundert, daß Frau Berta auf seinen Besuch vorbereitet war.
»Ich habe keinen Boten geschickt«, entschuldigte er sich, »da ich Eurem Haus keine Umstände machen wollte.«
»Der Herr des Landes erscheint unverhofft, um zu begutachten, was er sich anzueignen wünscht«, sagte Frau Berta mit freundlicher Stimme. Eine ausladende Handbewegung wies auf das Land, das von der Anhöhe aus zu sehen war.
Karlmann erschrak. Ihm war gar nicht in den Sinn gekommen, daß sein Erscheinen in Mürlenbach diesen Eindruck erwecken könnte. Zur Reise angetrieben hatte ihn einzig und allein der Wunsch, die junge Frau wiederzusehen, die ihn bei seinem letzten Besuch in Prüm so verzaubert hatte. Derart übermächtig war die Sehnsucht geworden, daß er sogar die in so glückliche Bahnen gelenkte Beziehung zu seinem Bruder dafür aufs Spiel gesetzt hatte. Als er Pippin nämlich vorlog, daß er Nachricht aus Prüm erhalten habe und seine Anwesenheit dort jetzt unbedingt erforderlich sei, hatte sein Bruder höchst ungehalten reagiert.
»Wir sollten den geplanten Vorstoß nach Aquitanien sofort unternehmen, Bruder«, hatte Pippin gefordert. »So schnell erwartet der Dux Hunoald uns noch nicht.«
Karlmann wußte sehr wohl, wie wichtig es war, sich jetzt endgültig das Land zu unterwerfen, das Vater Karl keinem von ihnen ausdrücklich zugesprochen hatte. Aber das Bild der hochgewachsenen jungen Frau mit den hellgrünen Augen stand ihm deutlicher vor Augen als das der einzunehmenden Stadt Bourges. »Wie sollen unsere Männer im Winter Nahrung finden?« hatte er ausweichend geantwortet.
»Die Bauern werden sie füttern, das ist nicht unsere Sorge.« Pippin war verärgert. »Was gibt es denn so Wichtiges in Prüm?«
»Es geht um die Abtei«, erwiderte Karlmann, wissend, daß sein Bruder wenig Verlangen hatte, über Kirchenangelegenheiten zu sprechen. Karlmann hatte sich schon öfter darüber gewundert, wie wenig Gottesfurcht sein Bruder zeigte, wie schlecht er die Bibel kannte und wie abfällig er gelegentlich über die Diener Gottes sprach. Nur auf seinen Freund Pater Fulrad ließ er nichts kommen. Sogar Bischof Bonifatius, den Karlmann so sehr verehrte und zugleich fürchtete, hatte er ganz offensichtlich nur geduldet und einmal sogar laut gegähnt, als dieser das schändliche Verhalten des Doppelbischofs Milo gerügt und Maßnahmen dagegen gefordert hatte. Allerdings schien es Karlmann, daß sich Bonifatius beinahe mehr für die Gemahlin Pippins interessiert hatte, denn er hatte sich für sie mindestens ebenso viel Zeit genommen wie in Prüm für die junge Frau, an die er, Karlmann, unablässig denken mußte. Es war allgemein bekannt, daß gerade Bonifatius viel dafür getan hatte, Frauen den Weg des Herrn zu weisen – schließlich korrespondierte er mit unzähligen von ihnen. Wenn er von seiner Cousine Lioba sprach, geschah das immer mit größter Hochachtung und einem leisen Bedauern in der Stimme, daß ein solch begnadetes Geschöpf doch nur ein Weib war.
Als Karlmann seine Schwägerin zum ersten Mal richtig musterte, erschauerte er. Nie hätte er geglaubt, daß es auf der Welt ein Wesen geben könnte, das der geliebten Fremden auch nur im mindesten ähnelte. Und hier sah er vor sich eine Frau, die fast die gleichen Züge aufwies und die dennoch ganz anders aussah – wie eine Verhöhnung des Bildes, das er in seinem Herzen trug. Auch deshalb drängte es ihn nach Mürlenbach. Er mußte sie wiedersehen, damit er nicht jeder Frau, der er begegnete, verzerrte Züge der Angebeteten verlieh. Er mußte sie unbedingt wiedersehen. Und er würde um sie freien.
»Woran mangelt der Abtei?« fragte ihn Pippin jedoch zu seiner Überraschung.
Karlmann dachte schnell nach.
»Sie war ursprünglich dem heiligen Columban geweiht, aber in den letzten Jahren hat Bischof Bonifatius die Mönche dem heiligen Benedikt nahegebracht. Allerdings gibt es noch einige Brüder, die sich dieser Neuerung
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