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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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könnte. Am nächsten Tag warf sich Gislind vor Glück weinend Bertrada an die Brust. »Er war es, er war es, ich weiß es genau!« rief sie und erzählte von dem hübschen Bauernburschen, der sie das letzte Stück des Weges nach Hause begleitet hatte.
    Voller Ehrfurcht blickten die anderen Frauen zu Bertrada hinüber. Es war schon vorher gemunkelt worden, daß sie in die Zukunft blicken könne, und jetzt hatte es sich bestätigt.
    Auch Frau Berta erfuhr von dieser Geschichte. Als Bertrada sie am Abend aufsuchte, um Schreibaufträge entgegenzunehmen, forderte die Herrin sie auf, sich zu setzen, und meinte lächelnd: »Ich habe noch nie von einer so jungen weisen Frau gehört. So nennt man ja jene, welche die Zukunft vorhersagen können.«
    »Das war Zufall«, beeilte sich Bertrada zu erklären. »Gislind ist ein hübsches Mädchen. Da war es doch natürlich, daß sie bald einen Freier finden würde.«
    »Ein armes Mädchen«, berichtigte Frau Berta. »Eigentlich überhaupt nicht zu verheiraten. Vaterlos mit fünf Geschwistern. Da reicht Hübschsein allein nicht. Du hast ihr Glück gebracht.«
    Die Herrin wußte genau um die Lebensumstände all dieser Frauen, doch im Gegensatz zu Bertrada wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, mit ihnen über etwas anderes als die Arbeit zu sprechen.
    »Und das ist nicht der erste Zufall dieser Art«, fuhr Frau Berta fort. »Oder hast du Answald etwa nicht vorhergesagt, daß er einen Eber erlegen würde?«
    »Einen Auerochsen habe ich ihm nicht zugetraut«, erwiderte Bertrada lachend. »Dafür ist er zu ungeduldig.«
    »Und was ist mit Schöntrut?« hakte Frau Berta nach.
    »Sie war so dick, das konnten nur Zwillinge werden«, erwiderte Bertrada.
    »Du hast bestimmt auch eine Erklärung dafür, daß du vorgestern das Tuch von der Bleiche hast räumen lassen, obwohl kein Wölkchen am Himmel den Hagelsturm angekündigt hatte?«
    Ja, auch dafür hatte Bertrada eine Erklärung, aber die wollte sie der Herrin lieber nicht mitteilen. Als Kind hatte sie sich oberhalb der Zehen in den linken Fuß ein Messer gerammt, um ihn dem anderen in der Länge anzugleichen. Seitdem kündigte die Narbe jeden Wetterumschwung an. Außerdem hatten sie die drei Monde, die sie jetzt in Mürlenbach lebte, gelehrt, wie viel launischer das Wetter hier im Eifelgau war als in Laon.
    Drei Monde. Sie schwieg betroffen und faßte sich unwillkürlich an den Bauch.
    »Kannst du dir selbst auch die Zukunft vorhersagen?« fragte Frau Berta mit ungewöhnlich weicher Stimme. »Trägst du einen Knaben oder ein Mädchen unter dem Herzen?«
    Bertrada sprang auf. Ihr Gesicht war schneeweiß geworden. Sie öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor.
    »Du hast noch keine blutigen Tücher gewaschen«, fuhr Frau Berta fort. »Das ist nicht nur mir aufgefallen.«
    »Das kann an etwas anderem liegen«, stotterte Bertrada. »Meine Mutter hat mir erzählt, daß sie in schweren Zeiten, bei Belagerungen zum Beispiel, auch nie geblutet hat, sie …« Bertrada brach erschrocken ab.
    »Wo wurde deine Mutter denn belagert und von wem?« fragte Frau Berta.
    Bertrada setzte sich wieder.
    »Ihr wißt, daß ich darüber nicht sprechen kann«, sagte sie leise.
    »Nicht sprechen willst, wohl eher. Aber kehren wir zu deinem Kind zurück, Flora, denn du bist guter Hoffnung, darüber besteht kein Zweifel. Wer ist denn der Vater?«
    »Ich kenne ihn nicht. Ein Mann, der mich im Wald überfallen hat«, flüsterte Bertrada und setzte hinzu: »Ein Edelmann.«
    »So wie du aussahst, hätte es eher ein Köhler sein können«, versetzte Frau Berta.
    Als Bertrada lautlos zu weinen begann, erhob sich Frau Berta von ihrem Stuhl. Schnell wischte sich Bertrada mit einem Ärmel die Augen und stand hastig auf. Sie wartete auf scharfe, schmerzhafte Worte der Herrin. Doch diese breitete nur die Arme weit aus. Laut schluchzend warf sich Bertrada der alten Frau an die Brust, die nicht ahnte, daß sie nun der eigenen Enkelin tröstend über den Rücken strich.
    Noch nie hatte Bertrada so dicht davor gestanden, sich der Großmutter zu offenbaren. Aber so plötzlich, wie diese die junge Frau umarmt hatte, so schnell ließ sie Bertrada auch wieder los. Ein kalter Windstoß fegte durch die Holzritzen des Bergfrieds und ließ Bertrada erzittern. Sie kreuzte die Arme vor der Brust.
    »Du wirst dein Kind hier bekommen, und dann werden wir weitersehen«, sagte Frau Berta kühl.
    Bertrada nickte. Jetzt konnte sie sich nichts mehr vormachen. Nicht die großen

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