Die Königsmacherin
deshalb auf Euch vorbereitet, weil sie Euer Kommen angekündigt hatte.«
Sie stand auf und beugte sich ebenfalls über die bewußtlose junge Frau. »Ich weiß zwar immer noch nicht, wer sie ist. Aber ich habe keinen Zweifel mehr daran, was sie ist«, fügte sie leise hinzu.
Karlmann nickte. Seine Miene wirkte zugleich grimmig und verklärt.
»Sie ist meine Frau«, sagte er, »ich werde sie heute noch heiraten.«
4
D AS W IEDERSEHEN
»Nenn mir einen vernünftigen Grund, weshalb du ein solch ehrenvolles Angebot ausschlägst!« Fassungslos lief Frau Berta im Zimmer auf und ab und versuchte zu ergründen, was hinter der Weigerung des Mädchens Flora stand: Was erdreistet sich dieses Geschöpf eigentlich? Der wichtigste Mann Austriens wirft sich ihr zu Füßen und sie stößt ihn fort! Jeder König wäre froh, seine Tochter dem Hausmeier anzuvertrauen, jede Prinzessin von diesem Antrag geehrt. Und sie sagt nein! Nur eine einzige Erklärung ergibt da einen Sinn: Sie darf ihn nicht heiraten, weil sie bereits gebunden ist. Wer ist dieses Mädchen?
»Bist du etwa schon verheiratet – und deinem Ehemann gar weggelaufen? Ist es sein Kind, das du erwartest? Oder hast du ihn mit einem anderen betrogen und er ist dahintergekommen? Bist du darum auf der Flucht?«
Bertrada schüttelte müde den Kopf. Der Lage, in die sie sich gebracht hatte, war mit Vernunft einfach nicht beizukommen. Wie gerne wäre sie des sanften Karlmanns Frau, warum nur waren sie einander früher nicht begegnet?
Dabei wußte sie, daß die einstige Bertrada von Laon keine Augen für die Qual und Zerrissenheit des jungen Mannes gehabt hätte. Die verwöhnte Grafentochter hätte über die Narbe die Nase gerümpft, die Falten unansehnlich und die finstere Miene abstoßend gefunden. Und jetzt mußte ausgerechnet sie ihm noch einen weiteren Schmerz zufügen.
»Ich werde es ihm selbst sagen«, flüsterte sie und erhob sich von der Bank, auf die Karlmann sie sanft niedergelegt hatte, nachdem sie in Ohnmacht gefallen war.
»Du sagst ihm gar nichts!« fuhr Frau Berta sie scharf an und drückte sie auf die Bank zurück. »Er soll noch eine Nacht bleiben. Du bist ohnehin zu geschwächt, um heute Hochzeit zu halten. Morgen geht es dir besser, und da wirst du Gott auf Knien danken, daß er dir einen Engel gesandt hat.«
Verärgert blickte sie auf Bertrada hinab. Wie hatte sie sich nur dazu hinreißen lassen können, ausgerechnet den Sohn des alten Majordomus als Himmelsboten zu bezeichnen!
»Länger können wir den Mann nicht hinhalten«, brummte sie, »er muß schleunigst zu seinem Bruder nach Saint Denis zurück, um die Ordnung im Land herzustellen – und du wirst als seine Frau mit ihm reiten.«
Wenn Flora nicht verheiratet war, gab es keinen Grund, den Bewerber abzuweisen. Frau Berta wollte jetzt alles daransetzen, die Widerspenstigkeit des Mädchens zu brechen. Sie würde ihr drohen, sie vor die Tür zu setzen!
Auch das half nichts.
Karlmann blieb drei Tage auf Mürlenbach. Doch weder ihm noch Frau Berta gelang es, das Mädchen umzustimmen. Die Herrin von Mürlenbach beließ es bei der Drohung. Sie hatte sich viel zu sehr an Flora gewöhnt, als daß sie das Mädchen noch hätte fortjagen können.
»Ich achte Euch hoch, Herr Karlmann«, sagte Bertrada, als er am dritten Tag einen letzten Vorstoß wagte, »und es betrübt mich, Euch eine Ablehnung erteilen zu müssen. Hättet Ihr vor einem halben Jahr um mich gefreit, ich wäre mit Freuden die Eure geworden.«
Karlmann hielt ihre Hand lange fest.
»Was steht dem denn jetzt im Wege?« fragte er mit verhaltener Stimme. »Ich spüre doch, daß ich Euch nicht zuwider bin! Wie Ihr wißt, bin ich nicht ohne Einfluß. Ich flehe Euch an, sagt mir doch, welche Schwierigkeit ich für Euch aus dem Weg räumen muß!«
»Es steht nicht in Eurer Macht«, erwiderte Bertrada flüsternd. »Bitte dringt nicht weiter in mich!«
»Gut, dann warte ich ein halbes Jahr«, gab er nach. »Wollt Ihr mir versprechen, mir in einem halben Jahr noch einmal eine Antwort zu geben?«
Bertrada nickte. In einem halben Jahr konnte viel geschehen, doch sie wußte, daß ihre Antwort nicht anders ausfallen würde.
Sanft entzog sie ihm ihre Hand und fuhr mit den Fingern zärtlich über seine flammendrote Narbe. »Ich werde für Euch und Euren Bruder beten«, versprach sie. »Möget Ihr in all Euren Unternehmungen erfolgreich sein.«
Ihr Wunsch sollte sich erfüllen. Karlmann und Pippin eroberten Anfang des folgenden Jahres ganz
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