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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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widersetzen und beispielsweise darauf bestehen, daß derjenige, der beim Beginn eines Psalms hustet oder während des Gottesdienstes lächelt, sechs Peitschenhiebe erhält. Zwölf sollen dem zukommen, der vor dem Essen das Gebet vergißt, fünfzig dem, der zu spät zum Gebet erscheint, hundert dem, der einen Streit beginnt, und gar zweihundert erhält, wer mit einer Frau spricht …«
    »Und was bedeutet das dir, wenn sich die Mönche auspeitschen?« fragte Pippin verständnislos.
    »Sie feiern Ostern auch noch nach der alten Zeitrechnung«, erwiderte Karlmann hilflos und leicht wütend darüber, daß sein jüngerer Bruder, wie so oft, die Richtung des Gespräches vorgab. »Sie kennen nicht die Gastfreundschaft der Benediktiner«, fuhr er fort und entsann sich dann endlich des Zauberworts: »Und sie erwirtschaften erheblich weniger. Ich darf nicht zulassen, daß die Brauerei verödet.«
    »Nein, das darfst du nicht«, stimmte Pippin zu. »Mach alle Mönche zu Benediktinern oder schick sie zum Teufel und enteigne die Abtei.« Ja, Pippin war wirklich ein wahrer Sohn ihres Vaters.
    Wie hatte er nur seine Schwägerin mit der schönen jungen Frau vergleichen können, schalt er sich, als er Bertrada endlich wieder gegenüberstand. Kein Schmuck zierte ihr schlichtes Kleid, und das Haar hing ihr lose und ungekünstelt über den Rücken. So wirkte sie noch viel bezaubernder, als wie sie ihm in seinen Tagträumen erschienen war. Sie war etwas fülliger geworden, was sie in seinen Augen noch begehrenswerter machte. Ihre Haut schien zu schimmern, als ob ein Licht in ihrem Inneren entzündet worden wäre, und ihre Züge waren noch viel weicher, als er sie in Erinnerung hatte. Welch schwaches Abbild vom Glanz ihrer Augen hatte er da doch in seinem Herzen bewahrt!
    »Willkommen, Herr Karlmann«, begrüßte sie ihn mit einer Stimme, wie sie melodischer nicht hätte sein können.
    Frau Berta entging nichts von alledem. Zwei Gedanken schossen ihr durch den Kopf: eine sofortige Heirat, damit das Kind Karlmann zugeschrieben werden konnte. Schließlich wußte nicht jeder, daß sich das Erstgeborene einer Frau oft mehr Zeit ließ als seine Nachfolger. Oder ihm eine so abenteuerliche Geschichte über Flora aufzutischen, daß ihm die Lust an ihr gründlich verging. Frau Berta war sich sicher, daß sie das bewerkstelligen konnte, wenn es sein mußte.
    »Was gibt es Neues in Saint Denis?« fragte sie Karlmann munter.
    Er wandte sich ihr zu, als nähme er sie zum ersten Mal wahr.
    »Nicht viel«, murmelte er verlegen.
    »Wie geht es meiner Enkelin?«
    »Da gibt es in der Tat eine Nachricht«, sagte der Hausmeier erleichtert, daß ihm dies eingefallen war. »Und die ist gar nicht gut.«
    Bertrada hielt den Atem an.
    »Euer Sohn, Frau Berta, und seine Frau sind auf ihrem eigenen Hof überfallen worden.«
    Frau Berta sog die Luft ein. »Und?« fragte sie hart.
    »Sie sind zum Glück unverletzt geblieben. Ein Pferd und ein Hausdiener wurden getötet.«
    »Wer waren die Schurken?«
    Karlmann schüttelte den Kopf. »Das weiß niemand. Es geschah in der Abenddämmerung. Ohne jede Vorwarnung. Dergleichen habe man in Laon noch nie erlebt, hieß es. Und das ausgerechnet einen Tag, bevor der Graf und seine Frau zu ihrer Tochter nach Saint Denis reiten wollten.«
    Ein leiser Aufschrei ließ Frau Berta und Karlmann zu Bertrada blicken. Mima, dachte das Mädchen völlig verstört, Mima und der Gesandte haben Mörder gedungen! Sie werden nicht davor zurückschrecken, meine Eltern zu töten, damit Leutberga die Frau des Hausmeiers bleiben kann! Sie werden alle umbringen, die mich kennen!
    »Was hast du, Flora?« fragte die Herrin.
    Bertrada hatte sich von ihrem Sitz erhoben, breitete nun die Arme weit aus und sagte in einem düsteren Ton, der ihre beiden Zuhörer erschauern ließ: »Charibert Graf von Laon und Gisela Gräfin von Laon dürfen niemals in Saint Denis einreiten. Sie dürfen niemals Pippin und seiner Frau begegnen. Das wäre ihr sicherer Tod.«
    Ihre Augen hatten sich so verdreht, daß nur noch das Weiße sichtbar war. Dann verlor sie plötzlich das Bewußtsein und stürzte nieder.
    Karlmann sprang auf und beugte sich zu der Gestalt am Boden.
    »Ich verlasse mich auf Euch, Herr Karlmann«, stieß Frau Berta zwischen weiß gewordenen Lippen hervor, »daß Ihr diesen Worten Glauben schenkt und dafür sorgt, daß mein Sohn und seine Frau von nun ab Saint Denis und Eurem Bruder fernbleiben. Flora hat die Gabe, in die Zukunft zu sehen. Wir waren nur

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