Die Königsmacherin
Hausmeier doch unmöglich Könige werden«, erklärte Bertrada und dachte beschämt an den Tag, da sie Karlmann übermütig vorgeschlagen hatte, sich doch einfach zum König ausrufen zu lassen.
»Man kann eine Sage auch herstellen«, widersprach Bonifatius.
Bertrada nickte. Ihre Augen funkelten.
»Die Anhänger der Merowinger haben das doch sehr erfolgreich getan! Sie behaupten sogar, daß ihre Könige in gerader Linie von Jesus abstammen! Und von Maria Magdalena«, setzte sie leise hinzu.
Bekümmert schüttelte Bonifatius den Kopf. »Wenn doch diese Gerüchte nur endlich verstummten! In einer Welt, die voller Götter mit menschlichen Zügen steckte, mochten sie vielleicht nützlich gewesen sein, aber heute ist eine solche Sage die reine Gotteslästerung! Es gibt bessere Wege, um den göttlichen Ursprung des Amtes zu verdeutlichen. Und das wird erforderlich sein, wenn Euer Gemahl König werden soll.«
»Karlmann und Pippin haben ziemlich bedeutende Vorfahren«, überlegte Bertrada laut. »Auch wenn ihr Vater keiner rechtsgültigen Ehe entstammte, so sind sie doch in ein sehr altes Geschlecht hineingeboren. Wie ich ja auch.« Meine Großmutter irrt. Dieser Mann rodet und sät nicht nur, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Das meinte ich damit jetzt nicht, auch wenn es sicher hilfreich ist, darauf hinzuweisen. Pippin könnte zum Beispiel einem Skriptorium den Auftrag geben, die Geschichte seiner Ahnen zu verfassen«, versetzte Bonifatius. »Ich dachte eigentlich an das Alte Testament. Saul und David sind mit Heiligem Öl zu Königen gesalbt worden. Soweit man weiß, war Saul der erste König gratia dei rex – von Gottes Gnaden. Wer sollte einen König in Frage stellen, der vom einzigen Gott zu diesem Amt berufen wurde? Ein solcher Monarch ist über jeden Zweifel erhaben.«
Das klingt wunderschön, dachte Bertrada. Aber was kann ich tun, um Pippin und Karlmann zu Königen zu machen? Dafür brauchen wir den Papst. Als Stellvertreter Christi hat er die Macht, Könige im Namen Gottes zu salben. Dafür müßte sich aber die fränkische Kirche der römischen unterordnen. Sie müßte dann auch zulassen, daß die Bischöfe vom Heiligen Vater bestellt werden. Die Bistümer könnten nicht mehr vererbt oder an Verbündete vergeben werden. Das wird Unruhe beim Adel auslösen. Doch darüber könnte sich ein König von Gottes Gnaden natürlich hinwegsetzen. Seine Macht wird sich schließlich aus anderen Quellen speisen. Und keiner dürfte es wagen, dies anzuzweifeln. Das wäre ja Gottesfrevel! Ja, Bonifatius hat recht. Als Könige wären Karlmann und Pippin unangreifbar!
Sie konnte es kaum erwarten, Pippin die Gedanken des Erzbischofs zu übermitteln. Sein Pater Fulrad mochte sich in kleinlichen Einzelheiten über die Führung von Land und Volk verlieren, mochte göttliche und weltliche Gesetze auswendig kennen; er konnte die Gesichter der Männer beschreiben, die Bertradas Eltern überfallen hatten, und war in der Lage, sich schnell auf etwas Neues einzustellen und sich selbst in ein günstiges Licht zu rücken. Doch konnte er wirklich so weit zurück und nach vorn blicken wie der Erzbischof, dem ein derart reicher Schatz an Erfahrungen zur Verfügung stand und der die Welt wie kein anderer aus eigener Anschauung kannte?
»Du möchtest also unbedingt Königin werden?« fragte Pippin belustigt, als ihm Bertrada von ihrem Gespräch mit Bonifatius berichtete. »Da wäre es doch angebracht, daß du dich an meiner Seite, im Zentrum der Macht, befindest, oder ist das dabei nicht vorgesehen?«
Seit ihrer sogenannten Hochzeit mit Pippin waren inzwischen fast zwei Jahre vergangen, und Bertrada weigerte sich immer noch, Mürlenbach zu verlassen.
»Meine Großmutter braucht mich hier«, erklärte sie stur.
Pippin starrte sie verblüfft an, sprang auf und begann dann derart schallend zu lachen, daß ihm die Tränen in die Augen traten.
»Was ist daran so belustigend?« fragte Bertrada verärgert. Pippin mußte sich sehr zusammennehmen, um sie nicht einfach an sich zu reißen und mit Küssen zu bedecken.
»Du schlägst mir allen Ernstes vor, mich zum König und womöglich auch noch dich zur Königin salben zu lassen, und führst dennoch an, daß dich deine Großmutter im kleinen Mürlenbach braucht? Siehst du denn nicht, wie lächerlich das ist?«
»Meiner Großmutter geht es gar nicht gut«, erwiderte Bertrada ernst.
Augenblicklich verschwand das Lachen aus Pippins Augen. »Was hat sie denn? In Saint Denis gibt es einige Mönche,
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