Die Königsmacherin
die sich gut aufs Heilen verstehen. Ich kann sie unverzüglich kommen lassen!«
»Sie möchte sich nicht helfen lassen«, antwortete Bertrada leise. »Ich habe alles versucht, was in meinen Kräften steht. Doch die Kräuter, sogar die Mandragora, haben mich im Stich gelassen. Also habe ich mir beim Prümer Kloster Rat geholt. Dort hat man gute Erfahrungen mit den Heilkräften des Geiers gemacht. Vater Gregorius hat mir ein solches Tier gesandt, und nach seinen Anweisungen habe ich den Geierschädel in Hirschhaut gewickelt und das Gehirn zu einer Salbe verrührt und ihr in die Nasenlöcher gestrichen. Es hat fürchterlich gestunken, aber nichts bewirkt. Sogar einen angelsächsischen Wanderer habe ich in die Burg gelassen. Er behauptete, er sei Heilkundiger und Frau Berta leide daran, daß ihre Körpersäfte aus dem Gleichgewicht geraten seien. Er wollte ihr Blut abnehmen, aber sie hat sich geweigert. Der Ruf der Ahnen werde langsam unüberhörbar, sagt sie, und sie werde ihm wohl bald Folge leisten müssen. Daran könne auch kein Heilkundiger etwas ändern.«
»Das tut mir leid«, sagte Pippin betroffen.
»Der Ruf der Ahnen …«, fuhr Bertrada nachdenklich fort. »Wie er sich wohl anhört?«
Pippin ließ sich neben Bertrada auf der Bank nieder. Scheinbar beiläufig hob er einen Arm und senkte ihn dann wie zufällig um ihre Schultern. Ohne von der Bank zu fallen, konnte sie nun nicht mehr von ihm abrücken. Als sie nicht aufstand, wagte er es, seinen Oberschenkel leicht gegen den ihren zu drücken.
»Es sind bedeutende Ahnen, Bertrada, du entstammst einem starken Geschlecht.«
»Du meinst, mit der Verpflichtung, dieses auch zu erhalten?« fragte sie sachlich. Sie erhob sich immer noch nicht.
»Ich habe versprochen, deinen Wunsch zu achten, und werde dich nicht bedrängen«, erwiderte er, während er sehr sanft ihre Schultern streichelte.
Er hatte es ihr am Morgen nach der ersten Nacht auf dem Boden des Gastraums in der Abtei geschworen. Nach dem Erwachen hatte er sie damals gefragt, welche Morgengabe sie sich denn wünsche. »Du brauchst doch etwas Sichtbares für deine Eltern«, bemerkte er, als sie ihn kopfschüttelnd ansah. Schließlich hatte sie ihm nichts gewährt, was eine Morgengabe rechtfertigte.
»Was hast du denn Leutberga geschenkt?«
»Eine Goldspange mit einem großen Rubin.« Er erzählte nicht, daß sie sich kurz danach eine Kopie davon hatte anfertigen lassen, um zwei Schuhe damit zu schmücken.
»Du hast mir damals am Bach eine Silbermünze geschenkt, aber sie wurde mir gestohlen, weil sie weithin sichtbar auf meiner Kleidung lag«, sagte Bertrada scharf. »Jetzt wünsche ich mir etwas Unsichtbares.«
»Wenn es in meiner Macht steht …«
»Das tut es.«
»Dann gehört es dir«, versicherte er.
»Gut. Hiermit hast du mir geschworen, mich nie wieder gegen meinen Willen anzurühren.«
Zunächst war er nur betroffen gewesen, dann aber hatte sich so etwas wie Hoffnung in ihm geregt. Nun, ihm als erfahrenen Liebhaber sollte es doch nicht allzu schwerfallen, ihrem Willen auf die Sprünge zu helfen!
Doch inzwischen waren zwei Jahre verstrichen, und all seine behutsamen Vorstöße waren an der Mauer ihres Widerstands beharrlich abgeprallt.
»Du hast dich an dein Versprechen gehalten«, sagte sie und fügte hinzu: »Darüber bin ich froh.«
Sie stand auf. Nachdem er sich ebenfalls erhoben hatte, strich sie ihm leicht über die Wange, ließ aber die Hand sofort wieder fallen, als hätte sie sich verbrannt.
In dieser Nacht fand sie lange keinen Schlaf. Was hatte sie nur dazu gebracht, den Mann, der sie geschändet hatte, so zärtlich zu berühren? War sie etwa dabei, so vergeßlich zu werden wie Frau Berta? Sie ließ jedoch den Gedanken nicht zu, daß man auch böse Erinnerungen einfach streichen sollte. Der kurze Vorfall am Bach hatte sie fürs Leben gezeichnet. Sie würde ihn nie in eine Abstellkammer ihres Wesens verbannen können. Es wurde eben nur zunehmend schwierig, den Mann am Bach mit dem Hausmeier in Verbindung zu bringen, den sie in den vergangenen zwei Jahren als sehr rücksichtsvoll und liebenswürdig erlebt hatte. Sie gestand sich ein, daß sie sich sogar auf seine Besuche und die Gespräche mit ihm freute. Und es war ihr vorhin überhaupt nicht unangenehm gewesen, seinen Arm auf ihrer Schulter und sein Bein an dem ihren zu spüren. Es war im Gegenteil so gewesen, als wäre etwas Kraft von ihm auf sie übergeströmt. Doch sie verbat sich diese Gedanken. Sicher hatte sie nur so
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