Die Königsmacherin
prallen Sonne. Menschen und Tiere mußten Kübeln und Wannen ausweichen, die zum Teil umgestürzt waren, und deren Inhalt sich über den Boden ergossen hatte. Es war höchste Zeit, daß sie sich wieder ihrer Aufgaben besann! Sie schluckte eine scharfe Zurechtweisung herunter, als sie eine der Frauen aus dem Genitium entdeckte, die sich tränenüberströmt an einen der jungen Männer aus Pippins Gefolge klammerte. Seine Hand war in ihren Ausschnitt geglitten und hatte eine Brust hervorgeholt, die er nun innig küßte.
»Ja, so ein Abschied macht manchem das Herz schwer«, hörte sie Pippins Stimme neben sich. Sie fuhr herum und musterte ihn überrascht.
»Du bist ja gar nicht reisefertig!«
»Ich bleibe auch vorerst hier«, erwiderte er. »Bis meine Männer aus Chelles zurückgekehrt sind. Ich will dich jetzt nicht allein lassen!«
Es gab nicht viele Männer, die auf sie hinunterblicken konnten. Pippin war einer von ihnen, und dankbar lehnte sich Bertrada an seine Brust.
Sanft schob er sie zu ihrer Mutter hin, die gerade einen schwarzen Hengst bestiegen hatte.
Bertrada ergriff die Hand, die Frau Gisela ihr gereicht hatte, und bedeckte sie mit Küssen.
»Lebewohl, mein Kind, und möge Gott dich schützen. Und deinen Gemahl auch«, sagte Frau Gisela und fügte dann beinahe abweisend hinzu: »Ich weiß nicht, ob wir uns jemals wiedersehen werden.« Sie löste sanft ihre Hand aus der ihrer Tochter, trieb ihr Pferd an und ritt mit wehenden Schleiern den Hügel hinunter, aufrecht und ohne sich noch einmal umzublicken. Bertrada sah ihr noch nach, als sich der Zug schon längst allen Blicken entzogen hatte.
Sie wandte sich um. Der Hausmeier hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sie war froh, daß er da war.
Für die Welt, in der sie lebte, war Bertrada immer noch Flora. Das hatte sie in diesen Tagen oft vergessen, und nur die sanften Ermahnungen ihrer Mutter hatten sie daran gehindert, in aller Öffentlichkeit ihrer Trauer freien Lauf zu lassen. Als sich Bertrada im Gemach ihrer Großmutter umsah, war ihr der Gedanke nicht angenehm, nun wieder allein in einem Zimmer schlafen zu müssen. Sie fühlte sich verlassen wie noch nie. Am liebsten wäre sie wieder in die Holzhütte geeilt und in ihr altes Bett neben dem der Kammerfrau gekrochen; das war jedoch unmöglich. Als Herrin von Mürlenbach war es nicht schicklich, in einem Dienstbotenraum zu nächtigen. Während sie noch überlegte, ob sie eine Magd oder Frau Bertas Kammerfrau zu sich ins Zimmer rufen sollte, klopfte es sacht an der Tür.
Mit der Kerze in der Hand öffnete sie und sah sich Pippin gegenüber. Wortlos hielt sie ihm die Tür auf.
Als Stunden später das erste Licht durch das Fenster in das Gemach fiel, erwachte Bertrada mit einem Ruck. Sie musterte das friedliche Gesicht des schlafenden, nackten Mannes neben sich und dachte daran, wie leicht es wäre, ein Kissen darauf zu legen und fest zuzudrücken. Statt dessen beugte sie sich vor und küßte den Mund des Schänders, den sie in Gedanken schon so oft umgebracht hatte. Diesmal hatte er sie nicht gegen ihren Willen berührt, sondern auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin. Er hatte sich nicht auf sie gestürzt, sondern war äußerst behutsam vorgegangen, so, als wäre sie ein kostbares Gefäß, das nur zu leicht zerbrechen könne. Nach anfänglichem Zögern fielen Angst und Scheu von Bertrada ab, und sie überließ sich ganz den Wonnen, die Pippin ihr zu bereiten wußte. Fast die ganze Nacht hatten sie einander geliebt, aber Bertrada fühlte sich am Morgen erfrischt wie schon lange nicht mehr. Der Mann in ihrem Bett hatte endlich die Wunde geheilt, die ihr der Mann am Bach einst zugefügt hatte. Sie beugte sich wieder über ihn.
»Weib«, sagte Pippin und öffnete die Augen. »Ich bin in deiner Hand. Du kannst dich jetzt so an mir rächen, wie immer es dir beliebt.«
Es folgten zwei Wochen inniger Zweisamkeit, lediglich getrübt durch die Trauer um ihren Vater und die Großmutter. Bertrada erinnerte sich an die Ermahnung der alten Frau, Vergangenem nicht nachzuhängen, sondern in die Zukunft zu schauen. Und da gab es in der Tat eine Menge, was auf sie zukam. Sie mußte für eine Fortführung der Geschäfte auf der Burg sorgen und nahm dankbar Pippins Angebot an, einen geeigneten Verwalter zu bestellen.
»Am besten wäre ein Ehepaar«, überlegte sie, »denn das Genitium sollte auf jeden Fall von einer Frau betreut werden. Es wird aber leider eine Weile dauern, die beiden einzuarbeiten!« Sie
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