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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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wunderte sich selbst darüber, daß sie es so eilig hatte, die Stätte zu verlassen, die ihr seit fast sechs Jahren ein Zuhause gewesen war, und empfand es als eine seltsame Fügung, daß ausgerechnet der Mann, der sie einst nach Mürlenbach getrieben hatte, sie von dort wieder fortholte.
    Sie hatte es schon vor Pippins Aufbruch geahnt, doch drei Monate später war sie sich sicher, daß sie wieder ein Kind erwartete. Aller Freude zum Trotz dachte sie voller Bangen an jenes Kind, auf dessen Grab es selbst im harschen Winter des Eifelgaus noch grünte. Nicht einen Augenblick lang gab sie sich Tagträumen darüber hin, was aus diesem neuen Kind werden könnte, und es war ihr gleich, ob sie nun einen Knaben oder ein Mädchen erwartete. Nur leben sollte es, flehte sie Gott an.
    Noch konnte sie all ihren Aufgaben ungehindert nachgehen, aber bald würde sie zusätzlicher Hilfe bedürfen. Das Verwalterpaar, das Pippin ihr geschickt hatte, erwies sich als den Ansprüchen nicht gewachsen und war selbst auch sehr froh, als Bertrada ihm vorschlug, statt dessen den wesentlich kleineren und unaufwendigeren Haushalt in Prüm zu betreuen.
    Sie hatte sich auch unter ihren eigenen Leuten umgesehen, aber bald begriffen, daß keiner von ihnen in der Lage gewesen wäre, die Zügel in der Hand zu halten.
    An einem lauen Sommerabend saß sie im Prümer Gutshaus auf jenem Eichenstuhl, den ihre Großmutter einst hatte anfertigen lassen, und überlegte, wem sie es zutraute, sich alles Erforderliche anzueignen, damit sie selbst irgendwann als Bertrada von Laon an der Seite ihres Gemahls leben konnte. Dem Gesinde hatte sie bereits mitgeteilt, daß sie vorhabe, in absehbarer Zeit wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Es gab ihr einen Stich, wenn sie daran dachte, daß sie als Gemahlin des Hausmeiers wohl nie wieder auf die vertraute Burg würde zurückkehren können, da sie hier jeder als Flora kannte.
    Die Kammerfrau riß sie aus ihren Gedanken und meldete die bevorstehende Ankunft des Hausmeiers.
    Bertradas Herz klopfte bis zum Hals.
    »Dann macht alles für Herrn Pippin bereit!« befahl sie.
    »Nicht der Herr Pippin, der Herr Karlmann«, verbesserte die Kammerfrau und musterte eindringlich die Frau, die sich jetzt als neue Herrin aufspielte. Es war ihr nicht entgangen, weshalb Herr Pippin sie bei seinem letzten Besuch nicht mehr hatte rufen lassen, und sie hatte auch bemerkt, daß Frau Flora schon wieder ein außereheliches Kind erwartete. Die Kammerfrau vermißte weniger die Zärtlichkeiten des Hausmeiers als vielmehr die großzügigen Geschenke, die er ihr jedesmal gemacht hatte. Und die jetzt die neue Herrin erhielt. Wie fast jeder auf der Burg wußte sie auch um Herrn Karlmanns Schwäche für Frau Flora. Hausmeier war Hausmeier, da sollte sie sich jetzt vielleicht lieber an diesen halten. Sie könnte ihm ja verstohlen näherbringen, daß die junge Herrin anderen gegenüber keineswegs so unnahbar war, wie sie es Herrn Karlmann offenbar hatte glauben lassen. Vielleicht würde er dann ja Trost in ihren Armen suchen.
    Karlmanns Augen leuchteten kurz auf, als er Bertrada sah, verloren aber sofort wieder jeden Glanz, als er sich ihr gegenüber niederließ. Sie musterte ihn aufmerksam.
    »Ihr seht nicht gesund aus, Herr Karlmann«, sagte sie besorgt. »Fehlt Euch etwas, oder habt Ihr Kummer?«
    »Ihr kennt meinen Kummer«, wich er aus. Es war ihm unmöglich, ihr mitzuteilen, was ihn mittlerweile nicht nur in allen wachen Stunden quälte, sondern auch im Schlaf unbarmherzig zusetzte. Immer wieder sah er sich das blutige Schwert schwingen, und die Schreie der Alemannenfürsten hallten Tag und Nacht in seinem Kopf wider. Anklagend reckten sich ihm ihre verstümmelten Glieder entgegen, und eine donnernde Stimme beschuldigte ihn unablässig des Frevels und der Gottlosigkeit. Ja, es herrschte nun Frieden im Land – aber er hatte ihn mit seiner Seelenruhe erkauft.
    Bertrada sah den Schmerz, der sich in seinen Augen spiegelte. Der Gedanke, ihm weiteres Leid zufügen zu müssen, machte ihr das Herz schwer. Ich liebe dich noch immer. Aber ich weiß jetzt, daß es eine andere Liebe ist als die zu meinem Gemahl. Ich liebe dich als Freund, als den Bruder, der du mir jetzt bist. Habe ich je nach deinem Körper verlangt, danach, mit dir zu einem Wesen zu verschmelzen? Wollte ich von deinen Lippen trinken? Ich weiß es nicht mehr.
    »Gott schütze Euch, Herr Karlmann«, sagte sie sanft.
    Karlmann blickte erstaunt auf. Die Stimmen in seinem Kopf waren

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