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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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verstummt, die Bilder mit einemmal verblaßt. In der friedlichen Atmosphäre des kleinen wohnlichen Gemaches war er endlich zur Ruhe gekommen.
    »Danke«, erwiderte er heiser. »Frau Flora«, setzte er hinzu und sprach damit zum ersten Mal den Namen aus, unter dem sie ihm genau sechs Jahre zuvor vorgestellt worden war.
    Bertrada zuckte leicht zusammen: Ich muß es ihm sagen. Aber wie?
    Sie stand auf und trat ans Fenster. Als Karlmann sie im Gegenlicht von der Seite sah, fuhr er auf.
    »Ihr seid in Hoffnung!« brach es aus ihm heraus.
    Bertrada wandte sich ihm wieder zu.
    »Ja«, sagte sie, »aber das ist längst noch nicht alles.«
    Noch nicht alles? Karlmann war fassungslos. Die Frau, von der er seit sechs Jahren geträumt hatte, die er verehrte, wie noch nie einen Menschen zuvor, hatte sich von einem anderen Mann berühren und schwängern lassen. Und das sollte etwa noch nicht alles sein? Ein Verdacht keimte in ihm auf. Ja, er hatte es geahnt und sich hinterher selbst dafür gescholten, daß er Pippin die Gegend um Prüm so widerspruchslos überlassen hatte. Nur weil es das Land war, das seine Frau einst erben sollte und inzwischen auch geerbt hatte. Pippins Frau! Die sich seit Jahren im Kloster Echternach vor aller Welt verborgen hielt, weil sie noch immer unter den Folgen des brutalen Raubüberfalls bei Prüm litt. Die Frau, die er mit unzähligen ehrlosen Weibern betrogen hatte. Und Flora gehörte dazu.
    »Mein Bruder«, sagte er stumpf.
    Bertrada sah ihn lange an.
    »Ich bin seine Frau«, antwortete sie schließlich. »In Wirklichkeit heiße ich Bertrada von Laon.«
    Karlmann starrte sie fassungslos an.
    »Nein! Das kann nicht sein!«
    »Doch. Hört zu, ich werde Euch alles erzählen. Ich hoffe, daß Ihr begreifen werdet, warum diese Verstellung unbedingt erforderlich war. Und ich hoffe vor allem, daß Ihr mir verzeihen könnt.«
    Zum ersten Mal in ihrem Leben erzählte sie einem Menschen wahrheitsgetreu ihre ganze Geschichte. Sie ließ den fremden Edelmann nicht aus, der sie am Bach vergewaltigt hatte, auch nicht das Kind, das auf dem Waldboden tot zur Welt gekommen war. Karlmann war ihr Freund, und er hatte ein Recht auf die Wahrheit. Nur eins erwähnte sie nicht: Daß sie inzwischen wußte, wer ihr Schänder gewesen war.
    Nachdem sie geendet hatte, stand er auf. Er war blaß geworden, und Bertrada glaubte mit einemmal erkennen zu können, wie er als sehr alter Mann aussehen würde.
    »Ich muß mich zurückziehen«, murmelte er. »Nachdenken …«
    »Bitte bleibt!« flehte Bertrada. »Laßt uns miteinander reden!«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Reden ändert nichts. Jetzt ist alles verloren«, sagte er tonlos und verließ das Gemach.
    Im Flur wäre er beinahe mit der Kammerfrau zusammengestoßen, die ihr Ohr an die Ritzen der Tür gelegt hatte, in der Hoffnung, etwas von dem Gespräch aufzuschnappen. Sie hatte nichts verstehen können, nur begriffen, daß Frau Flora einen langen Vortrag gehalten hatte. So etwas mochten Männer nicht.
    »Aus dem Weg!« herrschte Karlmann sie an.
    »Herr«, begann die Kammerfrau zögernd. »Wenn Ihr süßen Trost sucht …« Sie deutete auf das Zimmer am Ende des Flurs. Karlmann schüttelte verständnislos den Kopf. Aus einem inneren Nebel tauchten schon wieder die Züge der Alemannenfürsten vor ihm auf, und bald würden ihn ihre Schreie wieder heimsuchen.
    »Euer Bruder war immer sehr zufrieden mit mir«, setzte die Kammerfrau nach und nestelte aus ihrem Ausschnitt einen goldenen Anhänger. »Das hat er mir geschenkt.« Karlmann sah aus wie einer jener Herren, die man besser daran erinnerte, daß es nur den Tod umsonst gab.
    Jetzt erst drang zu ihm durch, was ihm die Kammerfrau soeben mitgeteilt hatte. Sein Bruder hatte hier auf der Burg nicht nur die Frau geschwängert, der er ehelich verbunden war, sondern zwischendurch auch noch das Bett mit der Kammerfrau geteilt! Er hatte die edelste Frau der Welt erobert und ging mit ihr um wie mit jeder seiner Buhlen!
    Da entlud sich Karlmanns Wut. Er packte die Kammerfrau an den Schultern und schüttelte sie so heftig, daß sie zu winseln anfing.
    »Nie wieder! Hörst du: Nie wieder!« brachte er keuchend zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor und schleuderte die junge Frau zu Boden. Auf allen vieren kroch sie hastig den Gang entlang. Er hörte Schritte hinter Bertradas Tür, floh aus dem Haus und raste in der Dunkelheit den Berg hinunter.
    Es war ein kleines Wunder, daß er, ohne zu stürzen, bis an die Pforte der Abteikapelle

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