Die Königsmacherin
Händen.« Sie holte tief Luft und rief: »Ich frage Euch, Pater Fulrad, ist es gut, daß derjenige König ist, der keine Macht hat? Ist es gut, daß derjenige, der die Macht hat, kein König ist?« Als der Abt nicht antwortete, fuhr sie fort: »Sollte allerdings ruchbar werden, daß mein Gemahl das Königtum unter falschen Voraussetzungen erworben hat, werden seine Gegner nicht ruhen, bis sie ihn vertrieben haben. Ihn, meine Kinder und mich. Selbst wenn er den Papst hinter sich hat. Der Heilige Vater sitzt im fernen Rom und führt keine streitbaren Männer an.« Sie sah Pater Fulrad offen in die Augen und fügte flüsternd hinzu: »Aber dafür gebietet er über genügend kunstfertige Schreiber in seinem Skriptorium.«
Dem Abt von Saint Denis verschlug es die Sprache. Die Frau, die gerade eine Abtei in Prüm bauen ließ, wollte allen Ernstes den Heiligen Vater zu einer Fälschung, zu einem Betrug anregen!
Abt Fulrad beschloß, unverzüglich nach Rom zu reisen. Als Begleiter bot sich Bischof Burchard von Würzburg an, mit dem er sich an diesem Abend eigentlich in Saint Denis hatte beraten wollen. Gespräche konnte man jedoch auch unterwegs führen. Pippin würde ihm die Reise genehmigen, wenn er ihm mitteilte, daß er dem Papst eine schlichte Frage vorlegen wollte: Ist es gut oder nicht, daß die Könige im Frankenreich keine königliche Gewalt haben? Fiel die Antwort zufriedenstellend aus, würde Pippin Provinzen, Bezirke und Städte für den Heiligen Vater erobern – sobald dieser mit der Urkunde über die Konstantinische Schenkung den Beweis für die Rechtmäßigkeit seines Anspruchs auf die entsprechenden Gebiete vorlegte.
Der Abt tat etwas, was er noch nie getan hatte. Er nahm die Hände einer Frau in die seinen und küßte sie.
»Niemand«, flüsterte er, »darf je erfahren, daß diese Überlegung in diesem Zimmer geboren wurde. Nicht einmal Euer Gemahl. Wir können nicht in die Zukunft sehen, und er könnte es uns dereinst sehr verübeln, daß wir dem Heiligen Vater einen solchen … Rat erteilt haben.«
Das war Bertradas geringste Sorge.
»Vor allem Bonifatius darf nichts davon wissen!« sagte sie nun mit normaler Stimme.
Abt Fulrad nickte. Der aufrechte Erzbischof von Mainz wäre der letzte gewesen, dem er sich in dieser Sache anvertraut hätte.
Als sich die beiden Verschwörer zufrieden anlächelten, erklang plötzlich ein glockenhelles Stimmchen aus der Ecke:
»Jetzt habe ich genug gearbeitet und werde mich ausruhen.«
Bertrada vergaß mit einem Schlag ihren Gemahl, den Papst, die Langobarden, die Urkunde, die es herzustellen galt, und auch Pater Fulrad.
»Karl! Du sprichst ja!«
Mit seinem Wachstäfelchen in der Hand kam der Junge zu seiner Mutter gelaufen und legte den Kopf in ihren Schoß.
»Dann laß mal sehen, was du Schönes geschrieben hast«, meinte der Abt und streckte die Hand nach dem Wachstäfelchen aus.
Angesichts des fürchterlichen Gekrakels hob er tadelnd die Augenbrauen.
»Schreiben ist nicht seine Stärke!« sagte Bertrada lachend. »Er kann erheblich besser mit dem Schwert umgehen.«
Sie war überglücklich.
Bertrada brachte in Prüm ihr zweites lebendes Kind zur Welt. Es war wieder ein Sohn, und diesmal konnte Pippin ihn gleich nach der Geburt bewundern. Im Land herrschte Frieden, und das schon seit zwei Jahren. Niemand hatte sich in dieser Zeit gegen den Hausmeier erhoben, und so konnte er sich ganz auf die Obliegenheiten konzentrieren, die einer möglichen Krönung vorangingen. Abt Fulrad war mit Bischof Burchard überstürzt nach Rom abgereist und mit einer Antwort auf jene Frage zurückgekommen, die Pippin zwar zugelassen, aber doch für etwas arg bescheiden gehalten hatte.
»Es ist besser, der heiße König, welcher die Macht hat, statt jener, welcher ohne königliche Macht ist«, hatte Papst Zacharias ebenso schlicht geantwortet. Außerdem hatte er dem Abt ein Schreiben mitgegeben, in dem er ›kraft seiner apostolischen Autorität‹ ausdrücklich erklärte, Pippin solle König werden. Eine Abschrift dieses Schreibens ließ der Hausmeier sofort an jene fränkischen Adligen schicken, die ihn zum König wählen sollten. Er forderte sie auf, sich zum Monatsende in Soissons einzufinden. Das würde ihm gestatten, noch so lange bei den Seinen im Eifelgau zu bleiben, bis die neue Abtei eingeweiht war.
Doch als er wenige Stunden später gerade einen prüfenden Blick auf seinen neugeborenen Sohn warf, wurde ihm die Ankunft eines wichtigen Boten gemeldet. Und der
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