Die Königsmacherin
Für ihn war sie die Schwanenjungfrau, der kein sterblicher Mann etwas antun, sie weder verletzen noch ihr Wonnen bereiten konnte. Aber sie war seine Glücksbringerin. Hatte er etwa geglaubt, sie würde sich bei Gefahr einfach in die Lüfte schwingen und wie die Göttin Berchta ins sichere Walhalla zurückkehren? Wie blind, einfältig und abergläubisch er doch gewesen war!
Seine Männer feierten den Sieg ohne ihn. Er blieb bei Bertrada und leistete ihr stumm Abbitte. Als sie sich etwas erholt hatte, ließ er eilig eine Sänfte bauen, in der sie zu ihren Söhnen nach Mürlenbach gebracht werden sollte. Ursprünglich hatte er vorgehabt, gleich nach Aquitanien weiterzuziehen, seinen dort kämpfenden Männern höchstselbst beizustehen und vor allem Grifo ein für allemal das Handwerk zu legen. Doch er brachte es nicht übers Herz, Bertrada den weiten Weg allein mit ihrem Gefolge machen zu lassen, und so begleitete er sie bis Mürlenbach. Unterwegs erreichte ihn die Nachricht, daß Graf Theodwin von Vienne und Graf Friedrich von Besançon den aufsässigen Grifo gestellt hatten, als sich dieser bei den Langobarden in Sicherheit hatte bringen wollen. Viel mehr als der Tod seines Halbbruders schmerzte Pippin der Umstand, daß bei den nachfolgenden Kämpfen auch die beiden Grafen ihr Leben verloren hatten.
Er konnte nur einen Tag in Mürlenbach bleiben, denn dringende Geschäfte riefen ihn auf sein Königsgut nach Quierzy: Hier mußte alles für den Besuch des Heiligen Vaters vorbereitet werden, der Pippins Einladung zu einer Reise ins Frankenland gefolgt war und sich bereits auf dem Weg dorthin befand. Es war das erste Mal, daß ein Papst über die Alpen in germanische Länder reiste. In Mürlenbach erreichte Pippin eine erste Mitteilung des Kirchenfürsten.
»Wir werden von Schnee, Frost und Überschwemmungen heimgesucht, müssen reißende Flüsse überqueren, schauerliche Berge erklimmen und uns vieler anderer Gefahren erwehren«, schrieb er und forderte den König auf, ihn in Saint Maurice im Wallis zu empfangen. Pippin selbst wäre nie auf den Gedanken gekommen, dem Papst den Vorschlag zu einer solchen Reise zu unterbreiten. Er hatte zunächst auch gezögert, als Bertrada ihn kurz vor dem Feldzug gegen die Sachsen dazu angeregt hatte.
»Der Papst ist verzweifelt, und er will etwas von dir«, sagte sie. »Ostrom hat ihn fallenlassen. Du bist der einzige, der ihm noch helfen kann, nachdem König Aistulf der byzantinischen Herrschaft über Oberitalien ein Ende gemacht hat. Die Langobarden haben schon Ravenna eingenommen und stehen jetzt vor den Toren Roms.«
»Und das alles ohne einen einzigen Schwertstreich«, bestätigte Pippin beeindruckt.
»Genauso mühelos wird dem Langobardenkönig auch Rom in den Schoß fallen«, setzte Bertrada fort. »Und wer außer dir könnte Aistulf jetzt noch daran hindern, aus dem Stellvertreter Christi einen einfachen langobardischen Bischof zu machen?«
Pippin dachte an seinen Vater, Karl Martell, der in früheren Zeiten die Hilferufe des Heiligen Stuhls nie beachtet hatte. Er wußte auch, daß es ihn große Mühen kosten würde, den fränkischen Adel von einem Feldzug gegen die Langobarden zu überzeugen, der ihm selbst keinen unmittelbaren Gewinn brächte.
»Ich soll also für den Papst in den Krieg ziehen«, sagte er schließlich, »mein Leben und das meiner Leute aufs Spiel setzen, nur damit ich einem anderen verlorene Länder zurückerobere?«
»Dieser andere ist immerhin der Stellvertreter Christi auf Erden«, erwiderte Bertrada ernst. »Und du willst ja auch etwas von ihm. Sein Vorgänger hat dich zwar zum König gemacht, aber dich nicht höchstselbst gesalbt.«
»Das hat doch dein Freund Bonifatius vor zwei Jahren bereits getan!« versetzte Pippin.
»Ja, aber er ist nur Erzbischof. Wenn dich der Heilige Vater höchstselbst in deinem eigenen Land mit dem heiligen Öl salbt, wäre das gerade in der jetzigen Lage sehr vorteilhaft.«
Mißtrauisch musterte Pippin seine Gemahlin und fragte: »Da steckt doch noch etwas anderes dahinter, Bertrada. Du willst mehr, habe ich recht?«
»Richtig«, stimmte sie zu und lächelte. »Wir sollten alle gesalbt werden, die ganze Familie! Verlange vom Papst, daß er Karl, Karlmann, das Kind, das bis dahin geboren sein wird, und auch mich selbst salbt. Dabei sollte es noch viel feierlicher zugehen als vor zwei Jahren. Es muß ein solch erhabenes Ereignis werden, daß man noch tausend Generationen später davon sprechen wird. Nie wieder wird
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