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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Lichtung, dem
    kleinen freien Fleck
    zwischen den buschigen Haaren auf seiner Stirn und dem
    Wald seines Bartes.
    Die Hände hängen ihm fast bis zu den Knien.
    Die Fingerknöchel schwarz behaart.

    Auf der Bühne, statt eines Scheinwerfers, ein Filmausschnitt.
    Gezeigt wird eine Sechzehn-Millimeter-Aufnahme von einem mit
    rotem Fell
    bedeckten Monster,
    groß wie ein Mensch zu Pferde, mit spitz zulaufendem
    Hinterkopf.,
    Es rennt vor der Kamera davon.
    Ein sonniger Tag an einem Fluss,
    Kiefern im Hintergrund.
    Dieses Dokumentarfilmmonster, projiziert auf Missing
    Link,
    schwingt die rot bepelzten Brüste
    und dreht sich um.

    Auf der Bühne sagt Missing Link: »Man tut jeden einzelnen
    Atemzug nur, weil etwas gestorben ist.«
    Etwas oder jemand lebte und starb, damit ihr dieses Leben
    haben könnt.
    Dieser Berg von Toten hebt euch ans Tageslicht.
    Missing Link sagt: »Wird die Mühe, die Kraft und der Schwung
    dieser Vorgänger...«
    Wird euch all das erreichen?
    Was macht ihr aus ihrem Geschenk?
    Lederschuhe und Brathähnchen und tote Soldaten sind nur
    eine Tragödie,
    wenn ihr diese Geschenke
    vor dem Fernseher sitzend vergeudet. Oder im Stau. Oder
    gestrandet auf irgendeinem Flughafen.

    »Wie wollt ihr allen Geschöpfen der Geschichte?«, fragt
    Missing Link.
    Wie wollt ihr ihnen zeigen, dass ihre Geburt, ihr Wirken und Sterben
    sich gelohnt haben?

Dissertation
Eine Erzählung von Missing Link
    Ein echtes Rendezvous konnte man das nicht nennen.
    Sicher, ein paar Biere in einer Kneipe mit einem ganz hübschen Mädchen. Eine Runde Billard. Musik aus der Jukebox. Hamburger mit Spiegelei, Fritten. Rendezvous-Futter.
    Es war zu schnell nach Lisas Tod, aber es war ein gutes Gefühl. Mal aus dem Haus zu kommen.
    Aber diese Neue, sie sieht mich ständig an. Achtet nicht auf das Football-Spiel im Fernseher über der Theke. Vermasselt beim Billard jeden Stoß, weil sie nicht mal die Kugel ins Visier nimmt. Ihre Augen hängen an mir, als müsse sie ein Diktat aufnehmen. Stenografieren. Fotografieren.
    »Hast du von dem Mädchen gehört, das man umgebracht hat?«, sagt sie. »Die Kleine war doch aus dem Reservat, oder?« Sie sagt: »Hast du die gekannt?«
    Die groben Zedernholzwände der Bar sind gebeizt von jahrelangem Zigarettenrauch. Der Boden ist dick mit Sägemehl bestreut, das die Tabakspucke aufsaugen soll. Weihnachtslichterketten hängen kreuz und quer an der Decke. Rot, blau und gelb. Grün und orange. Einige der Lämpchen blinken. In einer Kneipe wie dieser hat niemand etwas dagegen, wenn man seinen Hund mitbringt oder eine Pistole im Gürtel hat.
    Aber entgegen allem äußeren Anschein ist das kein Rendezvous, eher ein Interview.
    Auch wenn dieses Mädchen eine Tatsache feststellt, kommt das als Frage heraus:
    »Hast du gewusst«, sagt sie, »dass der heilige Andreas und der heilige Bartholomäus versucht haben, einen Riesen mit Hundekopf zu bekehren?« Sie gibt sich nicht die geringste Mühe, den nächsten Stoß irgendwie vorzubereiten, und sagt: »Die frühe katholische Kirche beschreibt den Riesen als vier Meter groß, mit Hundegesicht, Löwenmähne und den Zähnen eines wilden Ebers.«
    Natürlich geht ihr Stoß daneben, aber sie plappert einfach immer weiter.
    »Schon mal den italienischen Ausdruck lupa manera gehört?«, sagt sie.
    Über den Billardtisch gebeugt, versemmelt sie den nächsten kinderleichten Stoß, den Zweier, der direkt vor einer Ecktasche liegt. Und redet unablässig weiter: »Hast du von der Familie Gandillon gehört?« Sie sagt: »1584, in Frankreich, wurde die ganze Familie auf dem Scheiterhaufen verbrannt...«
    Dieses Mädchen, Mandy Soundso, treibt sich seit ein paar Monaten auf dem Campus herum, seit den Weihnachtsferien. Kurze Röcke. Schuhe mit bleistiftdünnen Absätzen. Sachen, die man hier in der Gegend überhaupt nicht zu kaufen bekommt. Anfangs hing sie meistens bei den Anthropologen herum. In »Völker der Welt 101« erschien sie als Hilfsdozentin, und da hat das mit ihrem starren Blick so richtig angefangen. Danach tauchte sie bei den Anglisten auf und erkundigte sich nach Vorbereitungskursen fürs Jurastudium. Und da ist sie jetzt, täglich. Täglich sagt sie hallo. Und immer spioniert sie herum. Ihre Augen machen Fotos. Und Notizen.
    Mandy Soundso, Geheimagentin.
    Massiver Blickkontakt während des ganzen Wintersemesters, und diese Woche sagt sie: »Willst du mit mir essen gehen?« Auf ihre Rechnung. Aber trotz Hamburgern, Weihnachtsbeleuchtung und Bier: Das ist kein

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