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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Schiffsuntergang dazwischenfunkt.
    Deswegen ist Block A der begehrteste. Die Sendung fangt an, und gleich nach der ersten Moderation ist man dran.
    Nein, in absehbarer Zeit wird dieses schwer erarbeitete Wissen, das der Ölige zusammengetragen hat, niemandem mehr das Geringste nützen.
    Vielleicht gibt er ihr deswegen sein Wissen gratis weiter. Echt, sagt er, er sollte ein Buch schreiben, verdammt. Das ist der amerikanische Traum: sein Leben zu etwas machen, das man verkaufen kann.
    Die Blondine betrachtet immer noch ihr Vorher-Foto und sagt: »Ziemlich unheimlich, aber dieses Bild von mir als Pummelchen ist mir mehr wert als alles andere.« Sie sagt: »Früher hat es mich traurig gemacht. Aber jetzt ist es das Einzige, was mich noch aufbaut.«
    Sie streckt die Hand aus und sagt: »Ich esse so viel Fischöl, dass man es riechen kann.« Sie wedelt dem Öligen mit dem Foto vor der Nase mm und sagt: »Riechen Sie mal an meiner Hand.«
    Ihre Hand riecht wie eine Hand, wie Haut, Seife und ihr klarer Nagellack.
    Er riecht an der Hand, er nimmt das Bild. Auf dem flachen Papier, reduziert auf Länge und Breite, ist sie eine Kuh in bauchfreiem Top und tief sitzenden Jeans. Ihre alte Haarfarbe, ein normales Durchschnittsbraun.
    Wenn man sich ansieht, was der Ölige trägt: ein blassrosa Hemd mit himmelblauer Krawatte, ein dunkelblaues Sportsakko - einfach perfekt. Das Rosa macht seine Haut wärmer. Das Blau betont seine Augen. Bevor du auch nur den Mund aufmachst, sagt er, musst du präsentabel sein. Eine präsentable, gepflegte Bildschirmerscheinung. Wenn du im knittrigen Hemd und mit fleckiger Krawatte auftauchst, blenden sie dich aus, wenn die Zeit knapp wird.
    Jeder Fernsehsender verlangt von dir nichts anderes, als dass du sauber, gepflegt und charmant rüberkommst. Kamerafreundlich. Ein nettes Gesicht. Denn ein Fleckentferner oder ein Bauchtrainer können nicht sprechen. Nett musst du wirken, voller Tatendrang.
    Dem Alten auf dem Monitor hängt die Haut vom Hals und verschwindet runzlig und faltig im gestärkten Kragen seines blauen Hemds. Als er schluckt, rutscht ihm ein Stück Haut aus dem Kragenrand, genau wie auf dem Vorher-Foto der dicke Bauch des Mädchens über die Jeanskante quillt.
    Auf dem Foto ist sie überhaupt nicht zu erkennen. Hauptsächlich, weil sie auf dem Bild lächelt.
    Der Ölige zeigt auf den Garderobenmonitor und erklärt, die Kamera fährt nie über das Publikum, zeigt nie das ganze Studio. Das heißt, da sitzen nur alte Frauen mit schlechten Zähnen. Der Mann, der die Zuschauer anheuert, hat ganze Arbeit geleistet. Diese alten Schachteln werden hier um sieben Uhr morgens angekarrt, und wenn die Bude voll ist, kann der Sender mit seinen Seniorenverkaufsshows loslegen. Diese Lokalsender holen sich immer Leute zum Klatschen ins Studio. Zu Halloween sind es nur junge Leute, und dann werden eben Spendenaufrufe für Spukhäuser gesendet. Zu Weihnachten hocken hier bloß alte Leute rum, die um Aufmerksamkeit für ihre Wohltätigkeitsbasare werben. Getürkter Applaus für Gratisreklame.
    Auf dem Monitor, der die aktuelle Sendung zeigt, wird gerade wieder zum lokalen Sprecher zurückgeschaltet, und gleich geht es weiter mit einem Trailer zur morgigen Machen-Sie-das-Beste-aus-ihrem-Typ-Show, gefolgt von einer schönen Einstellung auf den Regen draußen, dann eine kleine Fanfare, und die Werbung beginnt.
    Das Schiff ist untergegangen. Mehrere hundert Tote. Um elf gibt es die ersten Bilder.
    Der Ölige formuliert in Gedanken noch einmal seine Investment-Video-Reklame um, irgendwie müssen da Gottes Wege mit rein. Dass man Katastrophen nicht vorhersehen kann. Und wie enorm wichtig ein guter, solider Investmentplan für die Menschen sein kann, die auf dich angewiesen sind. Er identifiziert sich mit seinem Produkt. Lässt seinen Spickzettel nicht sehen.
    Er, die Kamera hinter der Kamera.
    Der Ozeandampfer hat so lange zum Untergehen gebraucht, dass es so aussieht, als ob das gebleichte Haar unserer Blondine sie um ihren Auftritt bringen wird.
    Bevor sie von der Werbung zurückschalten und zum Verkehrsbericht kommen - Liveaufnahmen von irgendeinem Highway, zu denen jemand die Meldungen abliest -, wird die Aufnahmeleiterin den Fleckentferner in die Garderobe zurückbegleiten. Sie wird Investment-Video das Funkmikro geben. Sie wird zu Bauchtrainer sagen: »Danke, dass Sie gekommen sind, aber leider sind wir überbucht und jetzt schon in Zeitnot ...«
    Und sie wird unsere Blondine vom Sicherheitspersonal auf die

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