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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Tüte in seinem Mund verschwinden. Sie sagt: »Das kann einfach nicht gut sein.« Und mehr geschieht nicht. Mehr Nichts geschieht.
    Bis dann Miss America in unsere Mitte tritt und sagt: »Das ist ungesetzlich.« Was Mr. Whittier getan hat. nennt man Entführung. Er hält Leute gegen ihren Willen fest, und das ist ein Verbrechen.
    »Je früher sie tun, was Sie versprochen haben«, sagt Mr. Whittier, »desto schneller werden die drei Monate vorbeigehen.«
    Direktorin Dementi wirft die Stoffmaus und sagt: »Villa Diodati? Was ist das?«
    »Ein Haus am Comer See«, erklärt Lady Tramp ihrem dicken Diamanten.
    »Am Genfer See«, sagt Mrs. Clark.
    Im Nachhinein betrachtet, war es Mr. Whittiers Standpunkt, dass wir immer Recht hatten.
    »Es geht nicht um richtig oder falsch«, pflegte Mr. Whittier zu sagen.
    Falsch gibt es gar nicht. Nicht in unseren Köpfen. In unserer Realität. Man kann nie das Falsche tun. Man kann nie das Falsche sagen.
    In deinem Kopf hast du immer Recht. Jede deiner Handlungen - was du tust oder sagst oder wie du auftrittst - ist im Augenblick der Handlung automatisch richtig.
    Mr. Whittier hebt den Becher mit zitternder Hand und sagt: »Selbst wenn man sich sagt: ›Heute trinke ich meinen Kaffee auf die falsche Art... aus einem schmutzigen Stiefel.‹ Selbst das wäre richtig, weil man sich eben dafür entschieden hat, seinen Kaffee aus diesem Stiefel zu trinken.«
    Weil man nichts Falsches tun kann. Man tut immer das Richtige.
    Selbst wenn man sagt: »Ich bin ein Idiot, ich mache alles falsch...«, hat man Recht. Die Aussage, dass man etwas falsch macht, ist richtig. Man hat Recht, selbst wenn man ein Idiot ist.
    »Ganz gleich, wie dumm Ihre Idee sein mag«, pflegte Mr. Whittier zu sagen, »Sie sind dazu verurteilt, Recht zu haben, weil es Ihre ist.«
    »Am Genfer See?«, fragt Lady Tramp mit geschlossenen Augen. Sie zwickt sich in die Schläfen, reibt sie zwischen Daumen und Zeigefinger und sagt: »Die Villa Diodati... da hat Lord Byron Mary Shelley vergewaltigt.«
    Und Mrs. Clark sagt: »Das stimmt nicht.«
    Wir alle sind dazu verdammt, Recht zu haben. In allem, was wir denken.
    In dieser unsteten, schwankenden Welt, wo jeder Recht hat und jede Idee in dem Augenblick, in dem man nach ihr handelt, richtig ist, ist die einzige Gewissheit das, was man verspricht, pflegte Mr. Whittier zu sagen.
    »Sie haben versprochen: drei Monate«, sagt Mr. Whittier durch den Dampf seines Kaffees.
    Und da geschieht etwas, aber nicht viel.
    Auf einmal spürst du, wie dein Arschloch sich zusammenzieht. Deine Finger fliegen hoch, hoch vor deinen Mund.
    Miss America hat ein Messer in der Hand. Mit der anderen Hand packt sie den Knoten von Mr. Whittiers Krawatte und zieht sein Gesicht zu sich hinauf. Mr. Whittiers lässt seinen Kaffee fallen, und der ergießt sich heiß und dampfend auf den Fußboden. Seine zitternd hängenden Hände wirbeln den Staub in der Luft auf.
    Sankt Prolaps lässt die Silbertüte mit Instant-Crepe-Suzette fallen, und die klebrigen roten Kirschen und die Schlagsahne ergießen sich auf den kornblumenblauen Teppich.
    Und die Katze rennt rüber, um zu kosten.
    Miss America sieht Mr. Whittier aus kürzestem Abstand in die Augen und sagt: »Es ist also richtig, wenn ich Sie umbringe?«
    Das Messer stammt aus dem Set, das der Killerkoch in seinem Alukoffer mitgebracht hat.
    Und Mr. Whittier sieht ihr in die Augen, so nah, dass ihre Wimpern sich berühren, wenn sie blinzeln. »Aber dann werden Sie immer noch in der Falle sitzen«, sagt er. Die Krawatte würgt seine Stimme zu einem Krächzen.
    Miss America zeigt mit dem Messer auf Mrs. Clark und sagt: »Was ist mit ihr? Hat sie einen Schlüssel?«
    Und Mrs. Clark schüttelt den Kopf. Nein. Ihre Augen weit aufgerissen, ihr Schmollmund starr von Silikon.
    Nein, der Schlüssel ist irgendwo in dem Gebäude versteckt. An einem Ort, an dem nur Mr. Whittier nachsehen würde.
    Trotzdem, auch wenn sie ihn tötet, tut sie das Richtige.
    Wenn sie das Haus in Brand steckt und hofft, die Feuerwehr sieht den Rauch und rettet sie, bevor wir alle ersticken - ist auch das richtig.
    Wenn sie das Messer in Mr. Whittiers vom grauen Star getrübten Augapfel sticht, ihn rausholt und als Spielball für die Katze auf den Boden wirft - ist auch das richtig.
    »Angesichts dieser Tatsache«, sagt Mr. Whittier - seine Krawatte wird enger in ihrer Faust, sein Gesicht dunkelrot, seine Stimme ist ein Flüstern, »sollten wir einfach tun, was wir versprochen haben.«
    Die drei

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