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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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rein.
    Sie sagt: »Okay, ich denke, für den letzten Block nehmen wir das Investment-Video ...«
    Der alte Knacker sieht den Öligen an, wie man im Kaufhaus einen Kunden ansehen würde, der eine halbe Million Stück von irgendetwas verlangt, und sagt: »Thomas...«
    Die Blondine sitzt bloß da und hält ihren Becher mit kaltem schwarzen Kaffee.
    Die Aufnahmeleiterin schnallt dem Mann das Funkmikro vom Rücken. Und gibt es dem Öligen.
    Und der sagt zu dem alten Knacker: »Guten Morgen, Dad.«
    Der packt die Hand des Öligen, schüttelt sie und sagt: »Wie geht's deiner Mom?«
    Die Nev-R-Run-Strumpfhose. Das Mädchen, das man sitzen lässt.
    Unsere Blondine steht auf. Sie erhebt sich, sie gibt auf, sie will nach Hause. Schluss.
    Und der Ölige nimmt das Mikro, kontrolliert den Schalter, dass es nicht an ist, und sagt: »Die ist tot.«
    Tot und begraben, aber wo, das sagt er nicht. Oder wenn doch, nennt er die falsche Stadt.
    Und platsch.
    Sein Haar, sein Gesicht: kalt und nass.
    Er trieft von Kaffee. Kaltem Kaffee. Sein Hemd, seine Krawatte: ruiniert. Die öligen Haare kleben ihm im Gesicht.
    Unsere Blondine greift nach dem Funkmikro und sagt: »Danke für den guten Rat.« Sie sagt: »Dann bin ich ja wohl jetzt dran...«
    Und was tausendmal schlimmer ist, als zu blond zu sein, schlimmer als sich den schicken Anzug einzusauen und sich die Frisur zu ruinieren: Unser dünnes Mädchen hat sich in ihn verknallt, und wie.

4
    Im blausamtenen Foyer kommt etwas aus dem Dunkel des ersten Rangs die Treppe heruntergepoltert. Stufe für Stufe wird das Poltern lauter, bis es zum donnernden, dunkel-runden Rollen wird. Es ist eine Bowlingkugel, polternd rollt sie aus der ersten Etage die Treppe herunter. Rollt stumm-schwarz über den blauen Teppich des Foyers. Schwester Vigilantes Bowlingkugel rollt an Cora Reynolds vorbei, die sich gerade die Pfoten leckt, an Mr. Whittier vorbei, der in seinem Rollstuhl sitzt und Instantkaffee trinkt, an Lady Tramp und ihrem Diamantengatten vorbei, knallt schwer-schwarz durch die doppelte Schwingtür und verschwindet in den Tiefen des Zuschauersaals.
    »Packer«, sagt Lady Tramp zu ihrem Diamanten, »irgendetwas ist hier mit uns eingeschlossen.« Sie senkt die Stimme, beinahe flüsternd fragt sie den Diamanten: »Bist du das?«
    Diese kleine Glasscheibe, die man nur im Fall eines Feuers einschlagen soll, Miss America hat sie bereits zerbrochen. All die kleinen Fenster in rotem Metallrahmen, neben denen an einer Kette ein Hämmerchen hängt, schlägt sie ein, um den Schalter dahinter zu betätigen. Miss America macht das im Foyer. Dann in der rotlackierten, wie ein Chinarestaurant ausstaffierten Wandelhalle mit den vielen Gips-Buddhas. Dann in dem wie ein Maya-Tempel ausstaffierten Foyer im Untergeschoss mit seinen grinsenden Kriegerfratzen. Dann in der wie Tausendundeine Nacht ausstaffierten Galerie hinter den Logen im zweiten Rang. Dann im Projektionsraum ganz oben unterm Dach.
    Dann geschieht nichts. Keine Klingel schrillt. Niemand kommt durch die verschlossenen Brandschutztüren gestürmt, um sie zu retten. Um uns zu retten. Nichts geschah, und dabei blieb es.
    Mr. Whittier sitzt auf einem blauen Samtsofa im Foyer unterm Glaslaub eines Kronleuchters, der wie eine funkelnde graue Wolke über ihm hängt.
    Schon nannte der Kuppler die Kronleuchter »Bäume«. Überall hingen sie reihenweise in den Salons, den Galerien und Gängen. Er nannte sie Obstgärten aus Glas, verwurzelt in der Decke, die Ketten in Samt gehüllte Stämme.
    Jeder von uns sah in diesen großen Räumen jeweils sein eigenes privates Zuhause.
    Graf Schandmaul schreibt in seinen Notizblock. Agent Plaudertasche filmt mit der Videokamera. Gräfin Weitblick trägt ihren Turban. Sankt Prolaps isst.
    Direktorin Dementi schleudert mit aller Kraft eine Stoffmaus durch den Raum, und die landet auf halber Strecke zum Eingang des Zuschauersaals. Mit der anderen Hand massiert sie die Schulter ihres Wurfarms, während die Katze, Cora Reynolds, die Maus zurückbringt und mit den Pfoten einen Strudel Staubflocken vom Teppich aufwühlt.
    Mrs. Clark, einen Arm vor der Brust, um ihre Brüste zu stützen, eine Hand nach hinten verrenkt, um sich den Nacken zu massieren, beobachtet das und sagt: »In der Villa Diodati hatten sie fünf Katzen.«
    Sankt Prolaps löffelt Instant-Crepe-Suzette aus einer Mylar-Tüte.
    Während Lady Tramp mit einer Nagelfeile ihre Fingernägel bearbeitet, sieht sie einen rosa triefenden Löffel nach dem anderen von der

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