Die Kolonie
Geschäft geht es um Folgendes: Terry Fletcher soll den Siebdrucker umbringen - als Gegenleistung machen der Kunstkritiker, der Galeriebesitzer und die Sammlerin Terry berühmt. Machen ihn zu einer lohnenden Investition. Seine Arbeiten werden ihm ein Vermögen einbringen. Die Porträts seiner Mutter und seiner Freundin, seines Hundes und seines Hamsters, die werden so hochgeputscht, dass sie zu Klassikern wie die Mona Lisa werden. Wie Kokopelli, der schelmische Gott der Hopi.
In seinem Atelier kreisten die schwarzen Fliegen immer noch um diesen Haufen weicher Äpfel und matschiger Bananen.
Und falls das hilft, erklären sie Fletcher, der Siebdrucker ist nur berühmt geworden, weil er einen arbeitsscheuen Bildhauer ermordet hat, der wiederum einen aufdringlichen Maler ermordet hatte, der wiederum einen hundsmiserablen Collagenmacher ermordet hatte.
Alle diese Leute sind immer noch tot, während ihre Werke in den Museen hängen und wie Geld auf einem Bankkonto unablässig im Wert steigen. Ansehnlicher werden sie freilich nicht, denn die Farben werden braun wie die Sonnenblumen van Goghs, und der Firnis wird rissig und gelb. Und immer sind die Bilder viel kleiner, als die Leute erwarten, wenn sie einen Tag lang in der Schlange gestanden haben, um sie zu sehen.
Seit Jahrhunderten funktioniere der Kunstmarkt so, sagte der Kritiker. Wenn Terry diesen seinen ersten richtigen »Auftrag« nicht annehmen wolle, sei das kein Problem. Andererseits hatte er noch auf unabsehbare Zeit Prozesse vor sich, manche Anklage würde noch gegen ihn erhoben werden. Diese Kunstmenschen konnten das alles mit einem einzigen Anruf aus dem Weg räumen. Oder aber sie konnten das alles auch noch viel schlimmer machen. Selbst wenn er nichts tat, konnte Terry Fletcher für sehr, sehr lange Zeit ins Gefängnis wandern. In diese zerkratzte Zelle.
Und wer würde anschließend einem alten Knastbruder noch Glauben schenken?
Also sagt Terry Fletcher: Ja.
Es ist von Vorteil, dass er den Siebdrucker nicht persönlich kennt. Der Galeriebesitzer gibt ihm eine Pistole und rät ihm, sich einen Nylonstrumpf über den Kopf zu ziehen. Die Waffe ist so groß wie eine Hand mit ausgestreckten, aber nicht gespreizten Fingern. Man kann sie gut in der Handfläche verbergen. Sie ist nur so groß wie ein Paketaufkleber, tut aber zuverlässig ihren Dienst. Der schlampige Siebdrucker hält sich bis zum Feierabend in der Galerie auf. Dann geht er zu Fuß nach Hause.
Noch am selben Abend schießt Terry Fletcher - peng, peng, peng - ihm drei Kugeln in den Rücken. Die Sache ist schneller erledigt als damals das Ding, als er seinen Hund Boner im Guggenheim Museum aufgehängt hat.
Einen Monat später hat Fletcher seine erste richtige Ausstellung in einer Galerie.
Es handelt sich NICHT um die Pell Meli Gallery. Zwar sind dort die gleichen schwarzrosa Schachbrettfliesen auf dem Boden und die gleichen gestreiften Markisen über dem Eingang und scharenweise kommen kluge Leute her, die in Kunst investieren wollen, aber das hier ist eine andere Art von Galerie, eine Pseudogalerie. Die klugen Leute hier sind unecht.
Von nun an wird Terrys Karriere kompliziert. Man könnte sagen, er hat seinen Job zu gut gemacht, denn der Kunstkritiker erteilt ihm weitere Mordaufträge: Ein Konzeptart-Künstler in Deutschland. Ein Performance-Künstler in San Francisco. Ein kinetischer Objektemacher in Barcelona. Jeder denkt, Andy Warhol sei bei einer Gallenblasenoperation gestorben. Man denkt, Jean-Michel Basquiat sei an einer Überdosis Heroin gestorben. Keith Haring und Robert Mapplethorpe an AIDS.
Die Wahrheit ist... man denkt, was andere wollen, dass man es denkt.
Der Kritiker wiederholt immer wieder, wenn Fletcher aussteigt, wird die Kunstwelt ihm den ersten Mord anhängen. Oder noch Schlimmeres.
Terry fragt: Was kann denn noch schlimmer sein?
Und das verraten sie ihm nicht.
Es bleibt Amerikanern vorbehalten, Dinge zu weit zu treiben.
Zwischen seinen Mordaufträgen an irgendwelchen ausgelutschten, arbeitsscheuen, schlampigen Künstlern bleibt Terry Fletcher keine Zeit, sich ordentlich auf seine Kunst zu konzentrieren. Selbst die Porträts von Rudy und seiner Mutter sehen wie hingeschissen aus. Und immer häufiger bringt er verschiedene Versionen des tanzenden Flötenspielers Kokopelli auf den Markt. Er vergrößert Fotos der Mona Lisa ins Riesige und koloriert sie von Hand in den Modefarben der Saison. Und trotzdem, wenn unten seine Signatur zu sehen ist, kaufen die Leute das Zeug.
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