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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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seinen Reißverschluss aufzuziehen. Dann sollte sie den Mund aufmachen.
    Die Onkel hatten das schon unzählige Male gesehen. Die Zigeunerin vergrub ihre Lippen im Hosenschlitz des Offiziers. Saugte und lutschte mit geschlossenen Augen und sah so nicht, dass er sein Messer aus dem Gürtel zog.
    Sobald der Offizier zum Orgasmus kam, packte er die Zigeunerin bei den Haaren und hielt ihren Kopf fest. Und mit der anderen Hand schlitzte er ihr die Kehle auf.
    Es war immer dasselbe Geräusch: schuu-ruuk. Während ihm noch der Samen herausspritzte, stieß er ihren nackten Körper weg, bevor das Blut aus ihrem Hals hervorschoss und ihn besudeln konnte.
    Es war ein Geräusch, das jedes Mal das Ende bedeutete. Schicksal. Ein Geräusch, dem sie nie mehr entrinnen würden. Das sie nie mehr vergessen würden.
    Bis der Offizier eines Tages wieder einmal eine Zigeunerin nahm und nackt vor sich niederknien ließ. Unter den Augen des Erschießungskommandos, unter den Augen der Onkel, deren Füße zwischen den Leichen versanken, ließ der Offizier sich von der Zigeunerin den Reißverschluss aufziehen. Die Frau schloss die Augen und machte den Mund auf.
    Die Onkel hatten das schon so oft gesehen, dass sie zuschauen konnten, ohne etwas dabei zu empfinden.
    Der Offizier packte die Zigeunerin bei ihren langen Haaren, wickelte sie sich um die Faust. Das Messer blitzte auf, dann kam dieses Geräusch. Dieses Geräusch. Die geheime Losung, die jetzt jeden in der Familie zum Lachen brachte. Mit der man sich begrüßte. Die Zigeunerin kippte nach hinten, unter ihrem Kinn schoss Blut hervor. Die Sterbende hustete einmal, und etwas landete neben ihr im Dreck.
    Alle starrten da hin, das Erschießungskommando und die Onkel und der Offizier, und was da im Dreck lag, war ein halber Schwanz. Schuu-ruuk, und der Offizier hatte sich selbst den tief in der Kehle der Frau steckenden Schwanz abgeschnitten. Aus seinem Hosenstall spritzte noch Sperma hervor. Und Blut. Der Offizier streckte eine Hand nach seinem staubbedeckten Schwanz aus. Seine Knie gaben nach.
    Die Onkel schleiften seine Leiche weg und begruben sie. Der Nachfolger dieses Offiziers war nicht so schlecht. Und dann war der Krieg vorbei, und die Onkel kamen nach Hause. Wäre all das nicht passiert, gäbe es ihre Familien vielleicht gar nicht. Wäre dieser eine Offizier nicht gestorben, wäre ich vielleicht nie geboren worden.
    Dieses Geräusch, diese geheime Losung unserer Familie bedeutet Folgendes, erklärte mir mein Onkel: Ja, es geschehen schreckliche Dinge, aber manchmal können diese schrecklichen Dinge - deine Rettung sein.
    Draußen vor dem Fenster, im Pfirsichgarten hinter dem Haus, laufen die anderen Kinder herum. Die Tanten sitzen vorne auf der Veranda und schälen Erbsen. Die Onkel stehen mit verschränkten Armen daneben und debattieren darüber, wie man am besten einen Zaun anstreicht.
    Vielleicht musst du in den Krieg, sagt der Onkel. Vielleicht bekommst du Cholera und stirbst. Oder aber, sagt er und bewegt die Hand durch die Luft, von links nach rechts, und diesmal unterhalb seines Gürtels: schuu-ruuk...

12
    Schwester Vigilante findet die Leiche. Sie geht, nachdem sie das Licht im Projektionsraum ausgeschaltet hat, die Treppe aus dem oberen Foyer hinunter und stolpert über Miss Americas rosa Bauchtrainer, den zwei leichenweiße Hände umklammert halten.
    Man sieht es auf dem kleinen Sucherbildschirm der Videokamera: Der Herzog der Vandalen liegt mit dem Gesicht nach unten auf dem blauen Teppich am Fuß der Treppe, das Fransenhemd hängt ihm aus der Hose, die blonden Haare zu einem Fächer ausgebreitet. Das rosa Plastikrad in den Händen. Eine Gesichtshälfte ist plattgetrampelt, die Haare in alle Richtungen mit Blut verklebt.
    Die Tantiemen für unsere Geschichte durch einen weniger geteilt.
    Schwester Vigilante hatte die Videokamera. Mr. Whittier hatte eine Taschenlampe benutzt, um sich im Dunkeln zurechtzufinden, aber die alten Batterien waren längst so tot wie er und Lady Tramp, und Schwester Vigilante benutzte den kleinen Scheinwerfer der Kamera mit seinen aufladbaren Batterien, wenn sie vor Morgengrauen und nach Anbruch der Nacht die Treppe hinauf- und wieder hinabgehen wollte.
    »Subarachnoidalblutung«, sagt Schwester Vigilante. Ihre Worte werden aufgezeichnet, als sie mit der Kamera die Leiche abschwenkt. »Mit partieller Avulsio des linken Hemisphaerium cerebelli.« Sie sagt, das sei die übliche Komplikation eines massiven Schädeltraumas. Sie zoomt heran und macht

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