Die Kolonie
nahmen zu. Grafittischmierereien und bewaffnete Raubüberfälle.
Am 2. Juli schimpften sie nicht mehr.
Am 1. Juli war Sonnenuntergang um 20:34 Uhr, die bürgerliche Dämmerung endete um 21:03 Uhr.
Am 2. Juli fand eine Frau, die ihren Hund ausführte, die Leiche von Lorenzo Curdy, eine Gesichtshälfte eingeschlagen. Tot, sagt Schwester Vigilante. »Subarachnoidalblutung«, sagt sie.
Unmittelbar bevor ihn der Schlag ins Gesicht traf, muss der Mann etwas gespürt haben, einen Luftzug vielleicht, denn er hatte schützend die Hände hochgerissen. Als man ihn fand, waren seine Hände so tief in sein Gesicht gerammt, dass die Fingernägel in seinem zerschmetterten Gehirn steckten.
Es war auf der Straße zu hören, im Dunkel zwischen zwei Laternen^ Das Stampfen. Manche Leute sprachen von einem Poltern. Kam das Geräusch näher, kam es auf einen zu, war man das nächste Opfer. Die Leute hörten es kommen, einmal, zweimal, immer näher, und erstarrten. Oder sie schafften mit äußerster Anstrengung noch drei, vier Schritte bis in den nächsten Hauseingang. Oder kauerten sich zwischen geparkte Autos. Und dann stampfte es wieder, es krachte, und eine Autoalarmlage ging los. Es kam die Straße herunter, immer näher, immer lauter, immer schneller.
Im Stockdunkeln, sagt Schwester Vigilante, schlug es ein zack - wie ein schwarzer Blitz.
Am 13. Juli war Sonnenuntergang um 20:33 Uhr, die bürgerliche Dämmerung endete um 21:03 Uhr. Eine Frau namens Angela Davis, Angestellte einer Reinigung in der Center Street, wurde kurz nach Feierabend auf der Straße von nichts so heftig in den Rücken getroffen, dass ihr Rückgrat brach und sie buchstäblich aus den Schuhen geworfen wurde.
Am 17. Juli, als die bürgerliche Dämmerung um 21:01 Uhr endete, stieg ein Mann namens Glenn Jacobs aus einem Bus und ging durch die Porter Street in Richtung 25. Avenue. Was niemand sah, rammte ihn so hart, dass sein Brustkorb barst. Wurde zerquetscht wie ein Weidenkorb.
Am 25. Juli endete die bürgerliche Dämmerung um 20:55 Uhr. Mary Leah Stanek wurde zum letzten Mal lebend gesehen, als sie auf der Union Street joggte. Einmal blieb sie stehen, um ihren Tennisschuh zuzubinden und ihren Puls zu kontrollieren. Dann nahm sie ihre Baseballkappe ab, drehte sie um, setzte sie wieder auf und steckte ihre langen braunen Haare darunter fest.
Sie lief auf der Pacific Street in westlicher Richtung, und dann war sie tot. Ihre Gesichtshaut vom Schädel und den Muskeln darunter abgerissen.
»Avulsio«, sagt Schwester Vigilante.
Der Gegenstand, der Stanek getötet hatte, war frei von Fingerabdrucken. Abgewischt. Mit Anhaftungen von Blut und Haaren. Man fand die Mordwaffe unter einem geparkten Auto in der 2. Avenue.
Eine Bowlingkugel, hieß es im Polizeibericht.
Solche schmierigen schwarzen Bowlingkugeln bekommt man in jedem Second-Hand-Laden für einen halben Dollar. Die Auswahl ist riesig. Wer will, kann sich Hunderte davon zusammenkaufen, wenn er jedes Jahr nur einmal all die Läden in der Stadt abklappert. Es ist auch kein Problem, eine Acht-Pfund-Kugel aus einem Bowling-Center mitgehen zu lassen, unterm Mantel versteckt. Eine Zwölf-Pfund-Kugel im Kinderwagen: eine kaum getarnte Waffe.
Die Polizei gab eine Pressekonferenz. Polizisten standen auf einem Parkplatz, und einer warf so fest er konnte eine Bowlingkugel auf den Beton. Die Kugel prallte ab. Und machte ein Geräusch wie eine Pfahlramme in großer Entfernung. Sie sprang hoch, noch über den Kopf des Mannes, der sie geworfen hatte. Sie hinterließ keinen Abdruck, und wenn die Straße abwärts gehe, erklärte der Polizist, müsse die Kugel immer schneller und in immer höheren Sätzen bergab springen. Man warf sie aus dem zweiten Stock des Polizeireviers, und sie sprang sogar noch höher. Fernsehteams filmten das alles. Die Bilder liefen auf allen Sendern.
Der Stadtrat drängte auf ein Gesetz, nach dem alle Bowlingkugeln in grellem Pink anzumalen seien. Oder Neongelb, Orange oder Giftgrün, irgendeine Farbe, die man sehen konnte, wenn sie einem nachts in einer dunklen Straße ins Gesicht flog. Damit die Leute noch einen winzigen Augenblick Zeit hätten, sich' zu ducken, bevor - zack - ihr Gesicht zertrümmert würde.
Die Stadtväter drängten auf ein Gesetz, das den Besitz schwarzer Kugeln unter Strafe stellte.
Die Polizei sprach von einem Mörder ohne spezifisches Motiv. Wie Herbert Mullin, der zehn Menschen tötete, um Erdbeben in Südkalifornien zu verhindern. Oder Norman Bernard, der
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