Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
Vom Netzwerk:
niemand ...« Dann das leise Tappen seiner Hand an die Eisentüren.
    Extra leise für den Fall, dass zufällig jemand draußen ist.
    Direktorin Dementi nennt sich Volkskomitee zur Fütterung der Katze.
    Miss Rotz und Missing Link sind das Volkskomitee zur Beseitigung des verdorbenen Essens. Jede Tüte, die sie in der Toilette wegspülen, bekommt noch ein Kissen oder einen Schuh hinterhergeschickt, damit die Abflüsse auch wirklich verstopft bleiben.
    Agent Plaudertasche klopft an Mrs. Clarks Garderobentür und sagt: »Hör mir zu.« Er sagt: »Du kannst hier nicht das Opfer sein. Wir haben dich zum nächsten Schurken gewählt.«
    Agent Plaudertasche nennt sich Volkskomitee zur Schaffung eines neuen Teufels.
    Die Glühbirnen-»Pfirsiche«, die der Kuppler pflückt, die er der Baronin Frostbeule hinunter reicht... Die sie so sorgfältig in mit Perücken gepolsterte Schachteln legt... Am Ende jedes Tages bringt Graf Schandmaul sie in den Keller und zerschlägt sie auf dem Betonfußboden. Später wird er aller Welt erzählen, Mrs. Clark habe sie zerbrochen.
    Schon wirkt der Raum größer. Dunkler. Farben und Wände verschwinden in Finsternis. Agent Plaudertasche filmt die zerbrochenen Glühbirnen und Schwester Vigilantes weggeworfene Fingernägel. Kleine weiße Scherben.
    Trotz des Gespensts ist unser Leben beinahe schlimm genug.
    Für Schwester Vigilante ist das Gespenst ein Held. Sie sagt, wir hassen Helden.
    »Die Zivilisation funktioniert am besten«, sagt Schwester Vigilante und schiebt sich das Messer unter den nächsten Fingernagel, »wenn man ein Feindbild hat.«

Voir Dire
Ein Gedicht über Schwester Vigilante
    »Da hat jemand eine Million Dollar Schmerzensgeld verlangt«, sagt
    Schwester Vigilante, »weil ihn ein anderer böse angesehen hat.«
    An ihrem ersten Tag als Geschworene.

    Schwester Vigilante auf der Bühne, ein Buch in der Hand, um den
    Ausschnitt ihrer Bluse zu bedecken.
    Ihre Bluse: gelbe Rüschen und weißer Spitzenbesatz.
    Das Buch: schwarzer Ledereinband, der Titel vorne in Gold
    eingestanzt:
    Die Bibel.
    Sie trägt eine Brille mit schwarzem Gestell.
    Ihr einziger Schmuck ein Armband mit silbernen Anhängern, die bei
    jeder Bewegung klingeln.
    Ihre Haare schwarz gefärbt, passend zu ihren
    Lackschuhen. Und zu der Bibel.

    Auf der Bühne, statt eines Scheinwerfers, ein Filmausschnitt.
    Ihre Brillengläser gleißen im gespiegelten Abbild von
    elektrischen Stühlen
    und Galgen. Körnige Wochenschaubilder von Gefangenen, die zum Tod
    in der Gaskammer
    oder durch Erschießen verurteilt sind.
    Wo ihre Augen sein sollten,
    sind keine zu sehen.
    Der nächste Fall an ihrem ersten Tag als Geschworene: ein Mann war über
    eine Bordsteinkante gestolpert und verklagte die
    Luxuslimousine, auf die er stürzte.
    Verlangte eine Belohnung von fünfzigtausend Dollar für seine
    Tolpatschigkeit.
    »All diese Leute mit ihrer massiv gestörten Grobmotorik«,
    sagt Schwester Vigilante.
    Sie verfügten über hervorragende Schuldzuweisungsfähigkeiten .

    Ein anderer verlangte Hunderttausend von einem Hausbesitzer,
    der seinen Gartenschlauch
    im Garten hatte liegen lassen, so dass er darüber gestolpert war
    und sich den Knöchel gebrochen hatte,
    als er in einem hier nichts zur Sache tuenden Fall
    von Vergewaltigung
    vor der Polizei geflohen war.
    Dieser verletzte Vergewaltiger verlangte ein Vermögen für seinen
    Schmerz.

    Auf der Bühne funkeln die silbernen Anhänger des Armbands vorm
    Spitzenbesatz ihres Ärmels.
    Die Bibel fest in beiden Händen,
    die Fingernägel passend zu ihren Rüschen gelb lackiert,
    sagt Schwester Vigilante, sie zahlt immer pünktlich ihre Steuern.
    Sie geht nie bei Rot über die Straße. Sortiert den Müll. Fährt mit dem
    Bus zur Arbeit.

    »Da habe ich«, erzählt Schwester Vigilante von ihrem ersten Tag
    als Geschworene, »zu dem Richter gesagt«
    Eine etwas elegantere Version von:
    »Was soll der Scheiß?«
    Und der Richter hat sie wegen Missachtung drangekriegt.

Bürgerliche Dämmerung
Eine Erzählung von Schwester Vigilante
    Es war der Sommer, in dem die Leute aufhörten, sich über die Benzinpreise zu beklagen. Der Sommer, als sie es aufgaben, über das schlechte Fernsehprogramm zu meckern.
    Am 24. Juni war Sonnenuntergang um 20:35 Uhr. Die bürgerliche Dämmerung endete um 21:07 Uhr. Eine Frau ging den steilen Abschnitt der Lewis Street hinauf. Zwischen der 19. und 20. Avenue vernahm sie ein lautes Klopfen. Ein Geräusch, das von einer Pfahlramme stammen mochte, ein schweres

Weitere Kostenlose Bücher