Die Kolonie Der Catteni
Lager fern?« Mitford wich ihrem Blick nicht aus.
»Sie können durchaus annehmen, daß ich das tue, und ich tue es tatsächlich. Er ist viel zu wertvoll, um vergeudet oder geopfert zu werden …«
»Dann habe ich mich also nicht geirrt – es gibt Ressentiments gegen ihn.«
»Können Sie den Leuten ernsthaft vorwerfen, daß sie ihm als Catteni ablehnend gegenüberstehen?« »Auch wenn er ebenso wie jeder andere hier abgeladen wurde?« antwortete Kris mit einer Gegenfrage. »Auch dann, denn er ist immer noch ein Catteni und hat keine Waffen, bis auf ein Messer, und er ist alleine.« »Er ist nicht alleine«, widersprach Kris steif.
»Ich weiß, Bjornsen. Aber man ist der Meinung, daß es für seine Anwesenheit hier einen anderen Grund geben muß als die Tatsache, daß er einen anderen Catt … Catteni getötet hat«, sagte Mitford und hob eine Hand, als sie zu einer heftigen Entgegnung ansetzte. »Ich weiß über diese eintägigen Catteni-Vendettas genauestens Bescheid, Bjornsen, und wenn es nur darum gegangen wäre, daß er einen Patrouillenführer getötet hat, wäre er am nächsten Tag aus dem Bau entlassen worden. Er ist ganz bestimmt nicht so wie jeder Catteni, den ich bisher kennengelernt oder von dem ich gehört habe.«
»Was war denn mit dem letzten Abwurf? Wenn Zainal nicht gewesen wäre …«
»Kris!« Mitfords Hand auf ihrem Arm und sein scharfer Tonfall ließen sie verstummen. Er schaute sich zwar nicht um, als wollte er sich vergewissern, wer sich nahe genug bei ihnen aufhielt, um ihre Diskussion mithören zu können, aber etwas in seiner Haltung sagte Kris, daß er nicht wollte, daß sie in diesem Moment explodierte. »Es gibt eine Menge Leute, die Zainal eigentlich dankbar sein sollten. Aber sie sind es nicht. Und das ist kurz und knapp die Lage der Dinge. Ich kann die menschliche Natur nicht ändern, wissen Sie.« Das Bedauern in seiner Stimme klang aufrichtig. »Und ich werde ihn ganz bestimmt nicht aus dem Lager vertreiben.« Er blinzelte und sagte dann leise: »Er ist wirklich viel zu nützlich. Also, Mädchen …« Er begann sorgfältig die Karte zusammenzufalten. Er verstaute sie in einer flachen Hülle, die er aus einer der allgegenwärtigen Thermodecken gefaltet und mit einem Schulterriemen versehen hatte. Er legte sie neben das Handy, dann fügte er einen dicken Graphit-›Bleistift‹ hinzu und hantierte einige Sekunden lang herum, bis er alles zu seiner Zufriedenheit arrangiert hatte. »Ich möchte, daß Sie und Zainal mit Astrid losmarschieren. Sie hat darum gebeten, daß Oskar sie begleitet. Zainal sagt, sie ist intelligent und kräftig genug, um mitzuhalten. Dann habe ich zwei Australier, die beteuert haben, daß sie früher fast wie ihre Aborigines gelebt haben, daher müßten sie mit den Strapazen ganz gut zurechtkommen. Sie gehörten zum letzten Gefangenenkontingent und sind Zainal auf ewig dankbar. Meistens tun sie so, als sei diese ganze Situation hier ein großer Witz. Vielleicht ist sie das auch.« Er hielt inne und schien über diese Theorie nachzudenken. »Einer von ihnen hat eine medizinische Ausbildung genossen und in der australischen Wildnis botanische Forschung betrieben. Mit diesem Handy können Sie jederzeit mit mir Verbindung aufnehmen. Esker, Dowdall und ein neuer, ein ehemaliger Anzac-Major namens Worrell, der in der Armeeverwaltung tätig war und daher etwas besser über alles Bescheid weiß als ich …« Er wischte Kris’ unausgesprochenen Einwand beiseite. »Ich bin froh, daß er bei uns ist. Ich brauche mir, seit er hier ist, nicht mehr ständig den Kopf über alles mögliche zu zerbrechen. Sollte ich mal nicht verfügbar sein, meldet er sich. Ist das klar?«
»Im großen und ganzen schon«, erwiderte sie so friedlich wie möglich, denn sie raste innerlich vor Zorn, daß Zainal aus dem Lager ferngehalten werden sollte. Allerdings nahm sie mit Erleichterung zur Kenntnis, daß sie ihn begleiten durfte. »Damit meldet sich Ihre rasende Leib- und Magen-Reporterin ab!« Sie stand auf.
»Sie sind in Ordnung, Bjornsen. Ich mag Ihre Art«, sagte Mitford und schaute zu ihr hoch. »Ich muß die Situation ein wenig entkrampfen, den Zündstoff herausnehmen – das verstehen Sie doch, oder?«
»Ja, ich glaube schon. Nur weshalb …« Sie deutete mit einem Kopfnicken in Richtung des Stocks, wo Arnie wieder einmal eine Strafe abzubüßen hatte, »… wird er toleriert und nicht Zainal?«
Mitford hob die Schultern. »Nun ja, weil er trotz allem … ein Mensch ist.
Weitere Kostenlose Bücher