Die Kolonie
ist es noch nicht einmal
Morgen, ganz gleich, wo er sich befindet.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht aus dem Schlaf gerissen«,
sagte er höflich.
»Nein. Ich bin mit der Sonne aufgestanden«, erwiderte
Bahjat.
El Libertador gestattete sich ein Lächeln. »Das
ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann, wenn ich mit
Regierungen und Medienreportern in aller Welt sprechen
muß.«
Bahjat erwiderte nichts.
»Ich habe die Freilassung der Passagiere in die Wege
geleitet«, sagte er. »Meine Leute werden dafür sorgen,
daß sie nach Buenos Aires gebracht werden, wo sich die
Weltregierung ihrer annimmt.«
»Ich verstehe.«
»Die Medien sind voll von Geschichten über Scheherazade
und ihren symbolischen Widerstand gegenüber der
Weltregierung.« Dabei betonte er das Wort symbolisch besonders.
»So haben wir unser erstes Ziel erreicht.« Bahjat
überkam plötzlich ein Gefühl, als wäre sie der
ganzen Sache überdrüssig. Es war Wahnsinn, ein Kampf gegen
Windmühlenflügel. Sieben Milliarden! Wem konnte, wie konnte
denen jemand helfen?
El Libertador meinte: »Wenn es Ihr Ziel war,
Publizität zu erringen, so haben Sie Ihr Ziel erreicht, weit
mehr als Sie sich’s hätten träumen lassen. Sie haben
mir sogar dazu verholfen, eins meiner eigenen Ziele zu
erreichen.«
Sie sah den erwartungsvollen Ausdruck auf seinem Gesicht.
»Und das wäre?«
»Ich habe… ein Arrangement mit der Weltregierung
getroffen und etwas Verständnis erworben. Als Gegenleistung
für die Freilassung der Passagiere ist man bereit… nun
ja… den Kampf in Südafrika zu ›übersehen‹,
wo die eigenen Truppen aufgerieben wurden.«
»Wie schön«, sagte Bahjat und versuchte erst gar
nicht, den ironischen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu verbergen.
»Wir werden berühmt, und Sie haben sich die Invasion der
Weltarmee vom Halse geschafft.«
El Libertador schürzte die Lippen. »Sie sind gar
nicht erfreut?«
»Sie sagen es«, erwiderte sie. »Zumindest haben wir
eine Menge Publicity.«
Er zögerte, und dann meinte er: »Sind Sie immer noch
bereit, meine Befehle zu befolgen? Wollen Sie immer noch, daß
Ihre zerstreuten Haufen zu einem weltweit vereinten Kampf vereinigt
werden?«
»Ja.«
»Selbst wenn es für Sie mit persönlichen Opfern
verbunden ist?«
Ihr war, als griffe eine eisige Hand nach ihrem Herzen. »Was
meinen Sie damit?« fragte Bahjat.
»Das Abkommen, das ich mit der Weltregierung getroffen
habe… den Preis für die Freilassung der Passagiere im
Austausch dafür, daß man den Zwischenfall in Johannesburg
vergessen will…«
»Ja. Worum geht’s?«
»Ich habe mit einem Berater der Weltregierung namens Scheich
Gamal Al-Hazimi verhandelt. Er stellte noch zwei weitere
Bedingungen.«
Bahjat verharrte in eisigem Schweigen, obwohl sie ganz genau
wußte, um was es sich dabei handelte.
El Libertador erklärte: »Die erste Bedingung
lautet, daß der Passagier David Adams, der vertraglich an
Eiland Eins gebunden ist, dorthin zurückkehrt.«
Bahjat nickte und spürte eine geringe Hoffnung in sich
aufkeimen, obwohl sie wußte, daß sie nichts hergab.
»Und wie lautete die zweite Bedingung?« fragte sie.
»Scheich Al-Hazimi meinte, daß sich seine Tochter
inkognito unter den Passagieren an Bord der Fähre befunden hat.
Er erwartet, daß sie zu ihm zurückkehrt. Soweit es ihn
betrifft, ist Scheherazade tot. Aber er möchte seine Tochter
wiederhaben. Andernfalls wird die Weltarmee Argentinien
angreifen.«
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Also bin ich der
Preis der bezahlt werden muß.«
El Libertador zuckte hilflos die Achseln. »Sie sehen,
Ihre unbedachte Aktion hat uns beiden nicht nur Publicity
eingebracht. Ich kann mir einen organisierten Krieg mit der
Weltregierung nicht leisten. Die Betreuung der Guerillas ist so eine
Sache… Kleinkrieg, ja, aber nicht jetzt.«
»Ich habe verstanden.«
Unwirsch fügte er hinzu: »Bitte, versuchen Sie nicht,
die Hacienda zu verlassen. Meine Leute haben den Befehl, Sie
strengstens zu überwachen, bis wir Sie Ihrem Vater
übergeben können.«
5. August 2008
GENERALORDER 08-441
Von: Dir. De Paolo
AN: Adm. Johnson, CINCNAV
Gen. Bulachew, CINCARM
Mrschl. Peng, CINCAIR
Betrifft: Gegenschlag gegen Argentinien
Obwohl die Verhandlungen mit der argentinischen Regierung eine
zufriedenstellende Lösung versprechen, ist eine
Machtdemonstration immer noch notwendig, bevor die Regierung die
Geiseln freiläßt, die die RUV bei der Entführung der
Raumfähre genommen hat.
Daher werden umgehend
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