Die Kolonie
nebelhaft zu Bewußtsein, daß er eine
ziemlich große Dosis von diesem Gas erwischt haben mußte,
wenn es ihm solche Kopfschmerzen bereitete. Nach einigen tiefen
Atemzügen dachte er an jene Zenmeister und Yogis, die durchaus
in der Lage waren, Schmerzen durch Willenskraft zu überwinden.
Er konzentrierte sich darauf, den Schmerz zu beseitigen – doch
dadurch wurden seine Kopfschmerzen nur noch schlimmer. Es
funktioniert nicht ohne die Hilfe des Computers, stellte er
fest.
Er trat in den leeren Gang hinaus und ging auf die offene Luke zu.
Die Luft roch merkwürdig, und von außen drangen
Geräusche an sein Ohr. Oder vernahm er vielleicht nur das
Dröhnen in seinem Kopf?
»Alto!« bellte die Wache. »Se
siente!«
David verstand kein Spanisch. Er schaltete den Kommunikator ein,
um vom nächsten Computer eine Übersetzung zu bekommen, aber
er bekam keine Antwort. Er versuchte es noch einmal.
Nichts.
Hier gibt es keinen Computer! David war betroffen durch die
Vorstellung, daß menschliche Wesen irgendwo existieren konnten,
ohne zumindest über ein Terminal zu verfügen, das an einen
Computer im Sendebereich eines implantierten Kommunikators
angeschlossen war.
Der Gedanke machte ihn stutzig. Sein Leben lang konnte er das
verstrickte Computernetz auf Eiland Eins ständig als
Gedächtnisstütze benutzen, als eine Art Lexikon, als
Informationsspeicher, der in seinem Kopf blitzschnell zur
Verfügung stand. Selbst auf dem Mond konnte er die Computer und
die kleinen, einfachen Elektronengehirne der Navigationssatelliten
anzapfen. Doch hier auf Erden blieben ihm diese Quellen verschlossen.
Ihm war, als wäre er plötzlich erblindet, oder als
würde ihm der Zugang zu sämtlichen Bibliotheken verwehrt.
Es war wie eine Amputation, eine Lobotomie.
»Se siente!« wiederholte die Wache und machte
eine herrische Geste mit der linken Hand, während seine Rechte
nach der Pistole im Halfter griff.
David ließ sich steif auf einen der nächsten Sitze
gleiten. Die Wache rief jemandem außerhalb der Luke etwas zu,
dann blickte er wieder auf David. Diesmal wurde es David
bewußt, daß es draußen Nacht sein mußte. Die
Deckenbeleuchtung im Shuttle brannte, und das Stückchen Himmel,
das David durch die Luke erblicken konnte, war dunkel.
Er lehnte sich zurück und versuchte zu schlafen, aber seine
Kopfschmerzen ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Jetzt bin
ich endlich auf der Erde, maulte er, und ich kann nichts
sehen, weil man mich nicht läßt.
Erst als ihm jemand auf die Schulter tippte und er aus dem Schlaf
auffuhr, merkte er, daß er eingedöst war. Das Mädchen
stand über ihm, jenes Mädchen, das ihn außer Gefecht
gesetzt hatte.
»Sie sind wieder unter den Lebenden«, sagte sie in
Internationalem Englisch. Ein leises Lächeln spielte um ihre
Lippen.
David wollte nicken, doch seine Kopfschmerzen rangen ihm ein
Stöhnen ab.
»Haben Sie Schmerzen?« fragte sie.
»Zum Teufel, ja«, erwiderte er. »Dank
Ihnen.«
Das Mädchen schien besorgt. »Sie hätten nicht
versuchen dürfen, Widerstand zu leisten. Ich habe Sie gewarnt,
sitzen zu bleiben.«
»Ich bin noch nie entführt worden, wissen Sie. Ich habe
da wenig Erfahrung.«
»Kommen Sie!« sagte das Mädchen und streckte die
Hand aus. »Wir wollen etwas gegen Ihre Kopfschmerzen
tun.«
Er nahm ihre Hand und erhob sich von seinem Sitz. Sie führte
ihn an der Wache vorbei, dann stiegen sie die Metalleiter hinunter,
die von der Luke zur Erde führte.
David blieb am Fuß der Treppe stehen und schaute sich um.
Der Himmel war sanft blauschwarz und schimmerte. Die Sterne funkelten
weich, waren nicht wie die starren, unbeweglichen Lichter, die er von
Eiland Eins kannte. Der Himmel war nicht so dicht mit Sternen
übersät, aber sie formierten sich zu all jenen Bildern, die
er aus Büchern kannte: Schütze, Wagen, Kreuz des
Südens. Er konnte sogar die sanften Formen des Magellan-Nebels
erkennen.
Um ihn herum breiteten sich offene Felder aus, aber es war zu
dunkel, um zu erkennen, ob sie bebaut waren. Ein Haus ragte in den
sanftblauen Nachthimmel, einige der Fenster waren hell
erleuchtet.
Doch es waren die Geräusche und die Gerüche, die David
am tiefsten trafen. Grillen zirpten, es roch nach warmer Erde und
Leben. Eine leichte Brise berührte sein Gesicht, kühl und
fremd. Sie legte sich für einen Augenblick und lebte dann wieder
auf, kräftiger als vorher.
»Der Wind ist immer noch ungezähmt«, sagte er laut.
»Er wird weder gesteuert noch geregelt! Man wird ihn nie
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