Die Kolonie
kann
das Motorrad kurzschließen«, sagte sie. »Das geht
ganz einfach.«
Ein Blitz zuckte über den Himmel, und David duckte sich,
während er auf den Donner wartete. Bahjat eilte zum
nächsten Motorrad und beugte sich über den Motor. Die Wache
drehte sich um und schaute zum Himmel. Der Donner explodierte direkt
über ihrem Kopf, während die Wache vor Schreck erstarrte
und die Zigarettenkippe wie eine Blume im Schatten des Torbogens der
Hacienda glühte.
David warf einen Blick über die Schulter und vergewisserte
sich, daß die beiden Wachmänner immer noch bewußtlos
am Boden lagen. Doch der andere am Tor hatte die Waffe gezogen und
kam über die Treppe auf sie zu. Die Stewardeß stand immer
noch im Torbogen und schaute wie gebannt zu.
David hatte seine Schießübungen nur als Teil jener
Tests absolviert, denen ihn die Biomediziner routinemäßig
unterzogen. Er zielte hoch, spürte mit dem Daumen, daß die
Waffe entsichert war und drückte ab. Die Pistole knallte, er
konnte den Rückstoß in seiner Hand fühlen. Der
Türrahmen splitterte, eine Staubwolke stieg auf und Mauerwerk
rieselte herab.
Wie jeder ausgebildete Soldat zog der Wachmann den Kopf ein und
legte sich, Deckung suchend, flach auf die Treppenstufen.
»Motor läuft!« rief Bahjat. »Los!«
Sie saß bereits im Sattel. David feuerte einen zweiten
Schuß ab, diesmal in den Boden direkt vor die Nase der Wache,
dann schwang er sich auf den Rücksitz. Der zweite Karabiner
klatschte gegen seinen Rücken.
Die Wache am Tor versuchte verzweifelt, sich so dünn wie
möglich zu machen. Er hatte zwar die Waffe in der Hand, aber er
lag mit dem Gesicht nach unten und versuchte, so wenig
Zielfläche wie nur möglich zu bieten.
Bahjat schaltete, und sie fuhren mit aufheulendem Motor los.
»Die Autos und die anderen Räder!« rief sie über
die Schulter. »Zerschießen Sie die Reifen!«
»Wie?« Es blitzte, und der Donner krachte sofort
hinterher. Es blitzte erneut, und die Erde erzitterte. Vom Himmel
fielen dicke Regentropfen.
»Die Autos und Räder fahrunfähig schießen
– damit sie uns nicht verfolgen können!« Bahjat
versuchte, den Donner zu übertönen.
Plötzlich war es stockfinster. Der Regen klatschte auf die
Erde. Im Handumdrehen waren die beiden pitschnaß und konnten
kaum die Finger vor den Augen sehen. David lehnte sich leicht
zurück, den Karabiner an der Hüfte und feuerte blindlings
auf die geparkten Fahrzeuge. Die Knallerei war ohrenbetäubend.
Die Waffe in seiner Hand hüpfte und schlug zurück, als
wollte sie sich befreien. Bahjat lenkte das Rad zwischen die
aufgereihten Fahrzeuge, David aber verlor das Gleichgewicht und
klatschte rücklings in eine Pfütze.
Er rappelte sich mühsam hoch und feuerte eine weitere Salve
in die parkenden Wagen. Ein Wasserstofftank explodierte in einer
pilzförmigen, orangeroten Flamme, dann ein zweiter. Er konnte
die Wache nicht sehen, auch nicht Bahjat und das Motorrad. Da stand
er nun, ballerte weiter und sah, wie die Räder umfielen, wie
Reifen barsten, er sah Autos, die umkippten und in Flammen aufgingen,
als die Geschosse einschlugen, spürte er die Hitze der Flammen
auf seinem Gesicht und den kalten Regen, der ihm den Rücken
hinabrann.
Endlich schwieg seine Waffe. Bahjat war nur einige Meter von ihm
entfernt, der einsame Scheinwerfer des Motorrads schien verloren in
Wind, Regenschauern und Finsternis.
»Los!« rief sie. »Schnell!«
David schleuderte den leergeschossenen Karabiner von sich und
schwang sich in den Sattel. »Nichts wie weg hier!« sagte
er, während sie in den Regen und in die Dunkelheit
hinausrasten.
SONDERMELDUNG *** SONDERMELDUNG ***
SONDERMELDUNG
BUENOS AIRES: Nach Mitteilung der argentinischen Regierung von
heute mittag werden alle Passagiere der entführten
Raumfähre in ihre Heimat zurückgebracht.
Die Anführerin der Entführer, nur unter ihrem
romantisch klingenden Namen ›Scheherazade‹ bekannt, ist aus
dem Sicherheitszentrum der Regierung geflohen, wo sie und die
übrigen Entführer festgehalten wurden. Aus dem
Hauptquartier der Weltregierung in Messina war früher verlautet,
daß Scheherazade bei der Entführung getötet worden
sei.
Mittlerweile hat die Entscheidung der argentinischen Regierung,
den übrigen Entführern politisches Asyl zu gewähren,
bei den führenden Politikern der Welt entschieden feindliche
Reaktionen ausgelöst…
- International News,
6. August 2008.
23. Kapitel
T. Hunter Garrison streckte die knorrigen Beine und
Weitere Kostenlose Bücher