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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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sich hinter die Stahlbrüstung duckte.
    In ihrem olivfarbenen Zeug und dem Kunststoffhelm war Karin zwar
kaum von den Truppen der Nationalgarde zu unterscheiden, dennoch
spürte sie, wie sich jeder Nerv in ihrem Körper
spannte.
    Abwarten ist das Schlimmste, sagte sie zu sich. Bei der
Ausbildung wurde man besonders darauf hingewiesen. Warten ist
schlimmer als alles andere.
    Etwa zehn Meter vor ihr kauerte Joey DiNardo und lugte unter
seinem Helm hervor, wobei er die Brücke beobachtete.
    Dann drehte er sich um und lachte sie über die Schulter an.
»Na, wie geht’s, Blondie?«
    »Ich bin okay. Schau du nur, daß du siehst, was du
sehen sollst«, rief Karin zurück.
    Es waren vier Frauen in der Gruppe, Wochenendsoldaten von der
Nationalgarde. Keiner hatte von ihnen verlangt, daß sie
während des Feiertags Dienst tun sollten. Doch der Ruf kam am
frühen Nachmittag, und gegen zwei Uhr waren sie alle in Uniform
angetreten, saßen in den Lastern und waren vom Sergeanten kurz
darüber aufgeklärt worden, wo die Kacke am Dampfen war.
    »Wir halten Queens und kämpfen um Brooklyn«, hatte
ihnen der Sergeant gesagt. »Es sieht ganz danach aus, als
hätten sie Manhattan erobert.«
    Eine diensthabende Einheit hatte einen Gegenangriff gestartet und
die Brücke zur 59. Straße von den schwarzen Rebellen
zurückerobert. Karins Einheit hatte den Auftrag, die Brücke
zu halten, da die Wachmannschaft durch die blutigen Kämpfe zu
sehr dezimiert war, um ohne Hilfe durchzuhalten.
    »Keiner darf die Brücke passieren«, hatte ihnen der
Sergeant eingeschärft, »außer Armeeangehörige
und die Nationalgarde.«
    Nun hockten sie also da und warteten gespannt. Karin wünschte
sich, sie hätte mehr als einen einzigen Karabiner mit einem 30er
Magazin. Max und Gerry hatten das schwere Maschinengewehr bei sich.
Der Sergeant aber hielt die Handgranaten unter Verschluß. Ich sag euch schon, wenn wir sie brauchen, wetterte er. Keiner von euch Milchbärten darf die Queensborough Bridge
sprengen, bevor ich’s euch sage.

    Aber es geschah nichts. Am späten Nachmittag hörten sie
ein paar Schüsse und sahen etwas Rauch aufsteigen. Auch jetzt,
als sich Karin müde auf das kalte Pflaster fallen ließ,
konnte sie nichts Ungewöhnliches entdecken.
    Nur in der Stadt herrschte absolute Stille. Keine Autos auf der
Brücke. Die Seilbahn nach Roosevelt Island stand bewegungslos.
Keine Untergrundbahn rumpelte über die Brücke, kein Verkehr
in den Straßen, nicht einmal Fußgänger.
    Es war, als sei die Stadt ausgestorben. Massige, schweigende
Gebäude, Reihe um Reihe, mit blinden Fenstern wie eine gewaltige
Burganlage, die sich meilenweit erstreckte.
    Karin starrte auf das Wasser des East River, wie hypnotisiert
durch den Fluß, der träge dahinströmte, als DiNardo
bemerkte: »Sie sind bereits oben!«
    »Still«, knurrte der Sergeant.
    »Aber ich kann’s hier oben hören! Jemand fährt
mit dem Wagen hier rauf. Es ist deutlich zu hören!«
    »Oben stehen eine Menge Leute«, meinte der Sergeant.
»Kümmere dich um deine Sachen, Scheißer! Tu, was man
dir befohlen hat, und halt gefälligst den Mund!«
    DiNardo schüttelte bekümmert den Kopf.
    Ein Panzerfahrzeug kletterte die Rampe zur Fahrbahn der
Brücke herauf.
    »Das war es«, sagte Karin. »Das war es, was du
gehört hast.« Sie lächelte DiNardo erleichtert zu.
    Es war ein großer, sperriger, gepanzerter Mannschaftswagen
mit einem Turm auf dem Dach, aus dem zwei Maschinengewehrläufe
ragten. Das Fahrerhaus war rundum gepanzert, nur mit Sehschlitzen und
elektron-optischen Periskopen versehen. Auf dem sandbraunen Dach war
ein großer, weißer fünfzackiger Stern aufgemalt.
    Der Panzerwagen hielt vor dem geparkten Truppenlaster. Karin
hörte, wie die Bremsen quietschten und der Turbomotor
allmählich verstummte.
    Der Sergeant stand auf und ging zum Panzerwagen hinüber.
»Was zum Teufel ist los? Wir waren hier…«
    Die Salve der Maschinengewehre zerriß ihn in zwei
Hälften. Blut und Fleischfetzen spritzten in Karins Gesicht. Sie
hörte einen Schrei – es war ihr eigener – dann war nur
noch das Bellen von Waffen zu hören.
    Karin sah, wie sich der Doppellauf der Maschinengewehre langsam
drehte und vernahm das Pfeifen der Kugeln. Für einen Augenblick
starrte sie in die Mündung der beiden Läufe. Dann glitten
sie an ihr vorbei und eröffneten das Feuer auf den Laster, der
explodierte und in Flammen aufging.
    Aus dem Fond des Panzerwagens sprangen Männer heraus. Es
waren weder Soldaten noch

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