Die Kolonie
er.
»Er ist übergeschnappt«, sagte David. »Wenn
wir nicht aufpassen, wird er uns umbringen.«
»Vielleicht selbst, wenn wir aufpassen.«
David beobachtete die Bildschirme, auf denen die Wachen zu sehen
waren, die die RUV im Verwaltungsgebäude aufgestellt hatte. Er
zählte insgesamt vierzehn, alle schwer bewaffnet, zwei von ihnen
direkt vor Cobbs Büro.
»Was will er eigentlich?« fragte Cobb.
David deutete auf den Bildschirm, auf dem das theaterartige
Satelliten-Kontrollzentrum zu sehen war. »Macht. Er will die
ganze Welt in die Knie zwingen, indem er ihr die Energie aus den
Sonnensatelliten abdreht.«
»Und du glaubst, du bist an allem schuld. Aber laß das.
Es liegt nicht an dir.«
»Ich habe ihnen alles verraten, was sie wissen wollten«,
bekannte David.
»Sie haben dich dazu gezwungen, nicht wahr?«
David nickte. »Ja, aber trotzdem war es mein Hirn. Ohne mich
hätten sie die Kolonie niemals besetzen können.«
»Wir werden Eiland Eins zurückerobern.« Irgendwie, setzte der alte Mann im Geiste hinzu.
»Sie werden alle sterben«, sagte David. Er wandte sich
Cobb zu, wobei Kopf und Schultern das Tastenfeld auf dem Podium
überragten. Cobb konnte sich noch gut daran erinnern, wie er den
Knaben auf seinen Schoß gesetzt hatte, damit er an den
Knöpfen spielen konnte.
»Was soll das heißen?« fragte er.
David schien verbittert zu sein, und es sah aus, als würde er
mit sich kämpfen. »Ich bin dabei, sie alle umzubringen. Sie
werden alle sterben… vielleicht werden alle auf Eiland Eins
sterben… meinetwegen.«
»Wer will denn hier Vorsehung spielen?« fragte Cobb.
David schaute den alten Mann mit steinernem Blick an. »Das
ist kein Scherz.«
Cobb verschlug es den Atem. »O nein. Ich will es nicht
hoffen. Sag’s mir.«
Die Tür ging auf, und Bahjat trat ein. Sie schaute sich
staunend um wie ein Pilger, der endlich seinen Schrein gefunden hat,
ein Pilger im zerschlissenen, sandfarbenen Kampfanzug, einen
Pistolengürtel um die Hüften.
»Unglaublich«, murmelte sie.
David trat zu ihr, nahm sie bei der Hand und führte sie zu
Cobbs Sessel.
»Das ist der Leiter von Eiland Eins, Dr. Cyrus Cobb«,
sagte er. »Und dies ist die berühmte Scheherazade, Seele
und Geist der RUV und ihr hübschester Anführer.«
Bahjat schaute ihn verwundert an. »Du beliebst zu
scherzen.«
»Das ist kein Scherz, Bahjat«, erwiderte er. Und an Cobb
gewandt, setzte er hinzu: »Scheherazade ist die Tochter von
Scheich Al-Hazimi.«
»Wirklich?« meinte Cobb.
»Das hättest du ihm nicht sagen dürfen«, sagte
Bahjat scharf. »Wenn Hamud das wüßte, würde er
dir nach dem Leben trachten.«
»Er wird uns beide umbringen, sobald er hat, was er
will«, sagte Cobb.
»Nein, das wird er nicht«, erwiderte David.
»Ich versuche, unnötiges Blutvergießen zu
vermeiden«, sagte Bahjat.
»Es ist zu spät«, meinte David. »Ihr seid
bereits alle tot, nur wißt ihr es noch nicht. Aber ich habe
euch schon vernichtet… euch alle.«
SONDERMELDUNG *** SONDERMELDUNG ***
SONDERMELDUNG
MESSINA: Aus Quellen der Weltregierung wurde heute
bestätigt, daß Elemente der RUV die Raumkolonie Eiland
Eins besetzt haben.
Unter den Geiseln der RUV-Terroristen befinden sich Kowie
Boweto, amtierender Präsident der Weltregierung und der
lateinamerikanische Revolutionsführer El Libertador. Boweto und El Libertador weilten dort bei einer Konferenz,
um all jene Möglichkeiten zu besprechen, die notwendig sind, um
der Welle des internationalen Terrorismus Einhalt zu gebieten, die
sich mit vernichtender Gewalt über die ganze Welt ausgebreitet
hatte, einschließlich der Ausbrüche organisierter
Aufstände in den Großstädten der Vereinigten Staaten
vor knapp zwei Wochen.
Über eine offizielle Reaktion auf die Besetzung der
Weltraumkolonie durch die RUV ist nichts bekannt. Bisher erfolgte
keine Reaktion auf die bedingungslosen Forderungen der Terroristen,
trotz der Tatsache, daß die Energiezufuhr von einigen
Sonnenkraftwerk-Satelliten unterbrochen wurde. Nach
Äußerungen der RUV soll die gesamte Energiezufuhr aus dem
Raum abgeschaltet werden…
39. Kapitel
Bahjat stand verwirrt neben Cobbs Podium, den Blick fest auf David
geheftet.
»Du hast uns bereits vernichtet?« fragte sie. »Was
soll das heißen?«
»Das wirst du noch früh genug erfahren.«
Cobb machte dem Duell ihrer Blicke ein Ende, indem er sagte:
»Es sieht ganz danach aus, als ob Ihr Freund Tiger aufgegeben
hätte, Garrisons Keller zu knacken.«
David wandte
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