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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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Tastenfelder wie die
Finger von Musikern, die eine komplizierte Partitur spielen.
    Der riesige Bildschirm, der die Stirnwand dieses
›Theaters‹ bedeckte, zeigte eine elektronische Weltkarte.
Al-Hazimi erriet sofort den Zweck dieses Bildschirms. Er besaß
selbst ähnliche in seinem Büro in Bagdad. Grüne
Lichter entlang des Äquators zeigten die Stellen an, wo die
Sonnenkraftwerk-Satelliten ihre Bahnen zogen. Große
Flächen der Karte – alle auf der nördlichen Halbkugel
– zeigten mit ihren Farbcodes an, welche Energiemengen die
einzelnen Gebiete von den Satelliten empfingen.
    Ein bestimmtes Gebiet auf dem Balkan glühte schon rot, und
während Al-Hazimi noch zusah, schlug ein weiterer Abschnitt, der
fast ganz Italien bedeckte, vom freundlichen Gelb in unheilvolles
Rosa um.
    Diese Leute schalten die Sonnensatelliten ab, stellte
Al-Hazimi fest. Und er erblickte die RUV-Guerillas, die hinter den
Technikern standen und an ihren Gewehren fingerten, während die
Techniker die Energie drosselten, die aus dem Weltraum nach Europa
und Nordamerika hinuntergestrahlt wurde.
    Al-Hazimi erfaßte dies alles mit einem Blick, während
die Tür hinter ihm ins Schloß fiel. Und er erblickte in
der obersten Reihe seine Tochter Bahjat – die
Guerillaführerin Scheherazade, in Männerkleidung, mit einer
Pistole an der Hüfte.
    »So, Vater«, klang ihre Stimme durch die Dämmerung,
»ich bin nach Eiland Eins gekommen, wie du es gewünscht
hast.«
    Es war schwer, bei dem Dämmerlicht ihren Gesichtsausdruck zu
erkennen.
    »Nicht ganz so, wie ich es mir gewünscht habe«, gab
Al-Hazimi zurück. »Nun, wie dem auch sei, du hast meine
Wünsche selten ganz erfüllt.«
    »Scheherazade hat ihr Werk noch nicht vollendet.«
    Er aber deutete auf die Landkarte. »Ich seh’s.«
    »Hast du wirklich geglaubt, daß ich als deine kleine,
gehorsame Tochter zurückkehren würde?«
    »Ich hatte gehofft, daß du wieder vernünftig
geworden bist.«
    »So wie meine Mutter.«
    Er spürte eine Art von überraschtem Erstaunen, das ihn
durchfuhr. Doch keiner war in Hörweite. Alle anderen waren mit
ihrem zerstörerischen Werk beschäftigt.
    »Deine Mutter war eine Trinkerin und eine Närrin. Du
weißt es.«
    »Ich weiß, daß sie an ihrer Trunksucht gestorben
ist. Sie trank, weil sie einsam war. Sie hat dich
vermißt.«
    »Vielleicht glaubte sie das«, sagte Al-Hazimi und
spürte, wie ihm etwas wie ein Metallband die Brust
zuschnürte, »aber sie hat alle belogen, sogar sich
selbst.«
    »Und du hast sie umgebracht.«
    »Sie hat sich selbst umgebracht – durch ihre Trunksucht,
wie du richtig sagtest.«
    »Du hast es zugelassen.«
    »Sie hatte sich selbst erniedrigt, und ich konnte nicht
zulassen, daß auch ich erniedrigt werde.«
    »Du willst wohl alles vernichten, was sich dir in den Weg
stellt?«
    Er lächelte unfroh. »Scheherazade hat wohl kein Blut an
ihren Händen?«
    Bahjats Blick flammte kurz auf, bevor sie erwiderte: »Ich bin
die Tochter meines Vaters.«
    Al-Hazimi nickte. »Und was kommt als nächstes?
Vatermord?«
    »Nicht wenn du vernünftig wirst. Wir werden genug damit
zu tun haben, alles zu zerstören, was du aufgebaut hast. Aber
glaube mir, wenn du Schwierigkeiten machst, wird man dich umbringen,
ohne mit der Wimper zu zucken.«
    »Hamud ist da«, sagte Al-Hazimi. »Ich weiß,
daß ihm das Töten Freude macht.«
    Sie zog die Brauen hoch. »Kennst du Hamud so gut?«
    »Ja.«
    »Ich kann ihn im Zaum halten – wenn ihr euch alle
dementsprechend benehmt.«
    »Irgendwann war ich der Meinung, ich könnte ihn
im Zaum halten.«
    Bahjat lächelte bitter. »Du hast so manches falsch
eingeschätzt, nicht wahr?«
    Er überhörte ihren Sarkasmus und fragte: »Was ist
mit El Libertador? Ist er auch gefangen?«
    »Ja. Es gab eine Zeit, da hätte er unser Anführer
sein können. Aber er ist ebenso alt und korrupt wie ihr
alle.«
    »Er hat seine eigenen Vorstellungen, seine Prinzipien«,
erwiderte Al-Hazimi. »Darum ist es so schwer, mit ihm fertig zu
werden.«
    »Ich werde mit ihm fertig, verlaß dich drauf«,
sagte Bahjat.
    Al-Hazimi zögerte. »So ist es also wahr. Du bist
wirklich die Anführerin dieser Bande.«
    »Kommt dir das so merkwürdig vor?«
    »Ich dachte, Hamud…«
    »Hamud glaubte, er sei der Anführer. Er gibt zwar
seine Befehle, aber diese Befehle kommen von mir.«
    »Ich verstehe.«
    »Geh zurück zu den anderen und sag ihnen, es stehen
für sie Unterkünfte in den Apartmenthäusern bereit.
Doch wenn sie uns auch nur die geringsten

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