Die Kolonie
Welt
schenken, wo sie keiner jemals mehr stören wird.«
»Ich möchte Garrisons Gesicht sehen, wenn du ihm das erzählst.«
»Und Leo«, sagte David. »Wenn er alles
glücklich übersteht und ihm das Krankenhaus gute Gesundheit
bescheinigt, möchte ich ihn nach New York senden und zusehen, ob
er aus dem, was sich in den Städten tut, etwas Vernünftiges
machen kann.«
»Ihn wieder nach New York schicken?«
»Warum nicht? Er kennt die Probleme. Vielleicht hat er uns
irgendwelche Lösungen anzubieten.«
»Das heißt, den Hunnenkönig Attila zu einem
Konvent schicken!« behauptete Cobb. »Leo hat zu viel Blut
an den Händen.«
David zuckte die Achseln. »Nennen Sie mir einen politischen
Führer, einen Mann, der zur Macht gelangt ist und an dessen
Händen kein Blut klebt. George Washington? Yasir Arafat? El
Libertador?«
»Man wird ihn in den Staaten nicht akzeptieren, nicht
nachdem, was er getan hat.«
»Das Volk wird ihn akzeptieren, selbst die weißen
Anführer, weil er für die ganze farbige Minderheit dort
unten sprechen kann.«
Cobb schüttelte den Kopf.
»Würden Sie mir eine Frage beantworten?« fragte
David aus einer plötzlichen Eingebung heraus. »Eine
persönliche Frage?«
Der alte Mann schaute verdutzt drein. »Wenn ich kann«,
sagte er.
David spürte, wie das Herz in seiner Brust klopfte.
»Sind Sie… mein natürlicher Vater?«
Cobbs Verwirrung schmolz dahin. »Dein genetischer Vater?
Nein, mein Sohn, das bin ich nicht.« Seine Augen hatten den
zärtlichsten Blick, den David jemals an ihm erlebt hatte.
»Ich weiß selbst nicht, wer es war. Ich wollte, ich
wär’s, denn ich bin sehr stolz auf dich. Ich könnte
nicht stolzer sein, wenn du mein eigenes Fleisch und Blut wärst.
Ich könnte dich auch nicht inniger lieben.«
David wurde sich bewußt, daß er sich aufgerichtet
hatte und jetzt vor dem lebensgroßen Bildschirm stand.
»Ich danke Ihnen«, sagte er. »Ich habe Sie immer
wie einen Vater geliebt.«
Cobb hüstelte und guckte verlegen weg.
David streckte die Hand aus und berührte das kalte Glas des
Bildschirms. »Gönnen Sie sich jetzt etwas Ruhe«, sagte
er.
»Das will ich tun. Ich habe am Mittwoch eine
Gremiumssitzung.«
Der Bildschirm verblaßte, wurde grau, und David war wieder
allein. Lange Zeit blieb er in dem stillen Büro, fern von der
Welt, in Gedanken und Überlegungen versunken.
Schließlich fiel sein Blick auf die elektronische
Kalenderuhr an der Wand, und plötzlich wurde er lebendig. Mit
einem gemischten Gefühl aus Begeisterung und Sorgen eilte er aus
dem Verwaltungsgebäude und fand auf dem Parkplatz ein
Elektrokrad. Er trat aufs Gaspedal und nahm den Fuß nicht mehr
weg, während er den Weg zur nächsten Siedlung
hinabfegte.
Er hielt nur einmal vor einem kleinen Laden, der sich in einer
stillen Straße verbarg. Dann fuhr er schleunigst zu dem
Apartmenthaus am Rande der Siedlung, wo Bahjat untergebracht war.
Bahjats Wohnung war alles andere als ein Palast, doch so bequem,
wie es Eiland Eins nur bieten konnte. Die Wohnung lag im obersten
Stockwerk und hatte einen Balkon, von dem aus der Blick weit
über das Innere der Kolonie ging. Die Zimmer waren groß
und mit Möbeln eingerichtet, die Scheich Al-Hazimi aus seinem
Palast in Zylinder B hatte kommen lassen.
Sie öffnete selbst die Tür. Die einzigen Diener auf
Eiland Eins waren elektronische Einrichtungen.
»Ich dachte mir schon, daß du es bist«, sagte
Bahjat und trat zurück, um David einzulassen. Dann führte
sie ihn ins Wohnzimmer. Der dicke Teppich war angoraweiß.
Palmen, in Kübeln gepflanzt, reichten bis zur Decke.
»Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte David und holte
ein Päckchen aus seiner Hosentasche.
Bahjat nahm das Geschenk mit einem sanften Lächeln entgegen.
Es war nicht in Papier eingeschlagen. »Ein Schminkset.« Sie
blickte zu ihm auf.
»Ich weiß, daß du jetzt deine eigenen Sachen
hast«, sagte David, wobei er fühlte, wie er innerlich
bebte, »aber ich habe an jene Nacht in New York gedacht…
nun ja…«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Ein symbolisches Geschenk,
also. Vielen Dank, David. Ich werde es in Ehren halten.«
Sie lud ihn mit einer Handbewegung ein näherzutreten.
»Die Konferenz ist zu Ende«, sagte David, weil er nicht
wußte wie er das Gespräch mit ihr eröffnen
sollte.
»Und?« fragte sie. Dabei blickte sie weder
ängstlich noch hoffnungsvoll, sah aber hübsch und
begehrenswert aus.
»Es gibt eine Amnestie – mit sofortiger Wirkung. Es soll
keine Vergeltung, keine
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