Die Kolonie
vernahm er das Aufheulen eines Elektromotors, als der
Behälter hochgehievt und auf einen wartenden Lastwagen geladen
wurde, und wie der Behälter mit dumpfem Knall auf der
Ladefläche landete.
Es war, als wäre er völlig blind und taub. Die einzigen
Informationen, die David von der Außenwelt erhielt, wurden
durch seinen Tastsinn vermittelt. Der Laster fuhr ab und ratterte in
Richtung Dock an der Schlußkappe davon. Um ihn herum
schaukelte, schwebte und rumpelte es, Stimmen wurden laut, Rufe
erschallten, Motoren liefen an, und dann war das Geräusch von
Niethämmern zu hören, die den Behälter am
Außenrahmen der Fähre befestigten.
Und dann nichts, gar nichts mehr, nur lähmende Stille,
stundenlang. Schweigen und Kälte.
David wußte, daß der Behälter an der Fähre
befestigt war und die Fähre ihrerseits an ihrem Dock
draußen am Hauptzylinder der Kolonie vertäut lag. Die
großen Solarspiegel hielten die Umgebungstemperatur knapp
über null Grad. Es war kalt.
Immer noch nicht so kalt wie nach dem Ablegen, wußte
David.
Er schaltete den Kommunikator ein, um festzustellen, ob die
Fähre planmäßig ablegen würde. Der Fahrplan
stimmte. Nur noch eine knappe Stunde bis zum Start.
Die Zeit zog sich endlos dahin. David mußte gegen den Schlaf
ankämpfen, während sein Körper schlapp wurde. Nein,
das darf nicht sein! Du mußt wach bleiben, um dich in Trance zu
versetzen, sobald die Fähre ablegt. Andernfalls wirst du
im Schlaf erfrieren!
Er hatte Hunger, und ihm fiel ein, daß er seit fast 24
Stunden nichts mehr gegessen hatte. Damals war er viel zu aufgeregt
gewesen, jetzt war es zu spät. In seinem Helm war ein
Wasserrohr, und das Ablaufrohr in seinem Anzug würde für
den Urin sorgen. Ansonsten blieb ihm nichts anderes übrig als zu
schlafen und zu warten. Aber warte, bevor du
einschläfst.
Er spürte mehr als er hörte, daß das Schiff um ihn
herum zum Leben erwachte. Es summte und vibrierte, Luken wurden
zugeschlagen, dann ein sanfter, überraschender Stoß –
sie waren gestartet.
Die Kälte kroch zu ihm herein, seine Zähne klapperten.
David rief das Computerprogramm auf, das ihn in Trance versetzen
würde.
Wie, wenn das veränderte Programm nicht funktioniert? Ich
hatte keine Gelegenheit, das Programm 4.8 Stunden lang
durchzuprüfen.
Das war der letzte Gedanke, an den er sich erinnerte.
»David Adams?«
David wischte sich den Schlaf aus den Augen und betrachtete den
Mann, der sich über ihn beugte.
»Wie? Was gibt’s?«
Dann merkte er, daß er nicht mehr in seinem Behälter
lag. Es war ein merkwürdiger Raum, eng, mit tiefhängender
Decke und blanken Metallträgern, die dicht über seinem Kopf
hingen.
»Sie sind David Adams, nicht wahr?«
»Oh… was meinen Sie?«
Der Mann trug den pastellgrünen Kittel eines Arztes.
»Willkommen auf dem Mond, Mr. Adams«, sagte er.
»Obwohl ich zugeben muß, daß Sie sich den schwersten
Weg nach hier ausgesucht haben.«
David hob den Kopf vom Untersuchungstisch. »Der Mond?
Hab’ ich’s also geschafft?«
Der Arzt grinste und nickte. Sein Gesicht war blaß, und er
trug einen nach unten gebogenen sandfarbenen Schnurrbart: »Sie
haben’s geschafft. Wie geht es Ihnen?«
David richtete sich langsam auf und meinte: »Etwas steif. Und
entsetzlich hungrig.«
»Das will ich meinen.« Der Mann half ihm vom Tisch und
führte ihn zu einem Sessel. »Seien Sie vorsichtig. Die
Schwerkraft beträgt nur ein Sechstel von dem, was sie
gewöhnt sind.«
»Ich habe bereits in einer Umgebung mit verringerter
Schwerkraft gelebt«, sagte David. Trotzdem nahm er vorsichtig
Platz.
»Natürlich«, sagte der Arzt. Er nahm eine
Kunststoffkanne von einem Tisch und griff sich mit der anderen Hand
eine Tasse. Dann goß er den dampfenden Kaffee ein. David sah
fasziniert zu, wie der Kaffee ganz langsam aus der Kanne in die Tasse
floß.
»Nehmen Sie das zum Aufwärmen. Ich werde für Sie
etwas zu Essen bestellen.«
»Danke«, sagte David und nahm die Tasse dankbar in beide
Hände. Die Wärme tat ihm wohl.
Der Arzt tippte auf einer Telefontastatur einige Zahlen und
meinte, ohne David anzuschauen: »Wahrscheinlich wissen Sie,
daß Sie jede Menge Ärger kriegen.«
»Das glaube ich gern.« Er hatte nicht viel weiter
gedacht, als von Eiland Eins loszukommen. Doch jetzt, hier in den
Mondminen, unterlag er immer noch den Gesetzen des Gremiums –
war er immer noch in Dr. Cobbs Reichweite.
Nun, ich habe eine Viertelmillion Meilen zurückgelegt.
Noch ein paar tausend Meilen, und
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