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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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Jahreszeit höllisch heiß sein
dürfte.«
     
    »Sind Sie verrückt? Haben Sie überhaupt kein
Hirn?«
    El Libertador stapfte wütend über das Parkett des
alten ehrwürdigen Ballsaals auf und ab. Der hohe Raum war von
den Porträts uniformierter Generale, alter Herren in
steifnackigen Kostümen in Begleitung bleicher Damen, flankiert.
Drei Kristalleuchter glitzerten im Sonnenlicht, das durch die
großen Fenster am anderen Ende des Saales fiel.
    Vor den Fenstern erstreckte sich endloses Grasland bis zum
Horizont, wo man die schemenhaften Umrisse von Berggipfeln erkennen
konnte.
    Bahjat war wütend und kam sich wie eine Närrin vor. Sie
hatte weder gebadet, noch die Kleider gewechselt in jenen 36 Stunden,
seit sie auf Alpha an Bord der Raumfähre gegangen war. Die
übrigen Entführer befanden sich weit weg in einem anderen
Flügel dieses ›Gästehauses‹, das irgendwo in den
Pampas von Argentinien stand. Die örtliche Polizei am Flughafen
von Buenos Aires hatte das geschenkte Shuttle nicht sonderlich
dankbar entgegengenommen. Das hatte sie eigentlich erwartet. Immerhin
hoffte sie, daß El Libertador erfreut sein würde.
Selbst Hamud war der Meinung, daß der lateinamerikanischen
Revolutionär sie und ihre Gäste mit offenen Armen empfangen
würde.
    Statt dessen war er aufgebracht, ja wütend. Er lief in dem
langen, luxuriösen Raum auf und ab, mit puterrotem Gesicht, und
seine ganze schlanke Gestalt strahlte äußerstes
Mißvergnügen aus.
    Er ist genauso alt wie mein Vater, dachte sie. Und das
machte sie irgendwie unsicher.
    Zumindest war er nicht besser gekleidet als sie: zerbeulte
Khakibluse, nicht annähernd so gut wie ihre eigene Seidenbluse,
Hemd und Slipper. Sie saß auf einem der steiflehnigen
Stühle aus echtem Holz, die an der getäfelten Wand
aufgereiht waren und beobachtete den alten Mann, wie er mit
klappernden Absätzen auf und ab ging.
    Schließlich blieb er so dicht vor Bahjat stehen, daß
sie in seine müden, blutunterlaufenen Augen blicken konnte und
schüttelte den Kopf.
    »Warum hat die RUV vorher keinen Kontakt mit mir aufgenommen?
Wie wagen Sie es, mir diese ganze Schiffsladung von Gästen
einfach in den Schoß zu kippen, ohne Vorwarnung, ohne auch nur
zu fragen…«
    Er senkte die Stimme und seufzte. »Ich sollte mein
Temperament etwas zügeln«, sagte er freundlicher. »Ich
bin soeben aus Südafrika zurück. Sie werden vielleicht
gehört haben, daß die Revolution dort ein Erfolg
war.«
    »Ja«, erwiderte Bahjat ehrlich erfreut. »Es war
eine wundervolle Nachricht.«
    »Allerdings auf Kosten von mehr als einhundert
Weltregierungssoldaten, die ihr Leben lassen mußten. Das
ist… weniger wundervoll.«
    »Aber sie haben ja ein verbrecherisches Regime
verteidigt.«
    El Libertador winkte müde ab. »Sie haben ihre
Befehle befolgt. Noch vor drei Tagen waren sie nichts weiter als ein
unbekanntes, gesichtsloses Truppenkontingent der Weltarmee. Jetzt
aber sind sie Märtyrer, und die ganze Welt schreit nach
Vergeltung.«
    Bahjat erwiderte nichts.
    Der alte Mann ließ sich erschöpft auf den Stuhl neben
ihr sinken. »Sie werden einsehen, daß wir nicht in der
Lage sind, die Weltregierung so hart zu bekämpfen. Wenn sie ihre
Streitkräfte gegen uns mobilisiert…«
    »Aber ihre Wehrmacht ist nur schwach«, sagte Bahjat.
»Wir können zehnmal soviel Leute auf die Beine
stellen.«
    »Ihre Armee besteht aus Berufssoldaten. Sie verfügt
über eine gewisse Beweglichkeit und Feuerkraft. Wir
verfügen über mehr Leute und mehr Enthusiasmus – und
das heißt lediglich, über mehr Kanonenfutter.«
    »Wir werden kämpfen, bis wir siegen!«
    »Wir würden eher kämpfen, bis wir alle getötet
werden. Warum haben Sie eine Raumfähre entführt? Wozu soll
das möglicherweise gut sein?«
    »Um die Schwäche der Weltregierung aufzuzeigen«,
erwiderte Bahjat, wobei sie ihm den wirklichen Grund verschwieg.
»Um ein Lösegeld für die Passagiere zu erpressen
– für diese fetten Geschäftsleute und
Touristen.«
    »Und Sie haben sie hierher gebracht, weil Sie annahmen,
daß ich sie schützen werde?«
    »Ja.«
    »Aber ich konnte mich doch selbst nicht schützen, als
die Truppen der Weltregierung in Argentinien eindrangen.«
    »Aber Sie sind doch ein Revolutionär!«
    »Jawohl«, sagte er und richtete sich auf. »Aber
weder ein Terrorist noch ein Entführer.«
    »Wir haben alle das gleiche Ziel«, erwiderte Bahjat
schrill, »selbst wenn unsere Taktik verschieden ist.«
    »Sind sie wirklich so verschieden?« schmunzelte

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