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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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zu leuchten.
    »Die Gegend ist einfach nicht mehr gut genug«, sagte er leise, wie zu sich selbst. »Der Himmel ist schon fast wie in der Großstadt. Im Osten bekommst du das Licht direkt aus der Stadt. Im Westen ist eine Neubausiedlung. Und jetzt im Süden das Hotel …«
    »Na ja, du hast ja noch den Norden.«
    »Danke Philipp. Du hilfst mir echt.«
    Er schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Am besten wäre es, ich würde abhauen. Irgendwohin, wo mein Vater mich nicht findet. Weißt du … sein Geschäft läuft nicht. Er redet schon seit zwei Jahren davon, hier alles zu verkaufen.«
    »Aber das Observatorium gehört doch dir.«
    »Nicht ganz.« Tom lachte bitter. »Mir gehört nur alles, was in dem Observatorium ist. Aber weißt du, was ein hundert Jahre alter Clark-Refraktor wert ist? Mein Vater ist ja nicht blöd.«
    »Klingt, als hättest du ein schlechtes Gewissen.«
    »Ein schlechtes Gewissen? Meiner Familie ging es mal richtig gut! Das Grundstück, auf dem jetzt die Kräne stehen, hat auch uns gehört. Wir haben nicht mal viel dafür bekommen. Mein Vater hat es verkauft, bevor es Bauland wurde.« Er schnaubte. »Es ist, als würde ihm alles Geld durch die Hände rutschen.«
    »Und jetzt? Hat dein Vater noch Geld?«
    »Nein. Er hat nichts. Er kann nicht mal die Krankenversicherung bezahlen.«
    »Er kann doch Stütze beantragen. Die zahlen für jeden die Krankenversicherung.«
    »Nur für Leute, die nichts mehr haben. Verstehst du? Ein Fernseher gehört zu den Grundbedürfnissen. Ein hundert Jahre altes Teleskop nicht.«
    Toms Augen waren auf das Observatorium gerichtet. Man konnte leicht sehen, wie es in ihm arbeitete.
    Dann wurde er wieder laut: »Was kann ich dafür, dass ihm nie was übrig bleibt? Er ist an allem selbst schuld.«
    »Also will er das Clark weggeben?«
    »Ja, aber das schafft er nicht allein. Und den Gefallen, ihm dabei zu helfen, werd ich ihm nicht tun.«
    Der Novemberwind hatte plötzlich eine unangenehme Schärfe. Tom zog den Reißverschluss seiner Jacke bis unters Kinn. Auch ich spürte den Wind in allen Gliedern und knöpfte meine gefütterte Cordjacke bis obenhin zu. Wortlos und fröstelnd gingen wir zurück in Richtung des Observatoriums auf dem anderen Hügel. Als wir nur noch wenige Schritte davon entfernt waren, kam es mir vor, als hätte sich der Turm während unseres Spaziergangs verwandelt. Von drüben hatte er wie ein mächtiger alter Geist gewirkt. Nun kam er mir klein und windschief vor. Aus der Nähe betrachtet war er viel zerbrechlicher.

KAPITEL 9

    I m Handschuhfach von Toms Wagen lag immer eine Landkarte griffbereit. Es war ein rätselhaftes Ding. Die Umrisse von Deutschland erkannte ich zwar, aber da waren weder Straßen noch Ortsnamen, nur Farben: ein ziemlich buntes Gemälde aus vielen roten, gelben und orangefarbenen Feldern. Die roten Gebiete, sagte Tom, seien verlorenes Terrain – zerstört durch Lichtverschmutzung – mit weniger als hundert sichtbaren Sternen in einer mondlosen Nacht. Umgeben waren sie von breiten orangefarbenen und gelben Gürteln, die schwächere Grade der Aufhellung anzeigten.
    Schon ein Blick auf die Karte genügte, um zu sehen, dass das ganze Land kontaminiert war. Wie ein in die Enge getriebener Streber war Deutschland mit nervösen Hitzeflecken überzogen. Die letzten dunklen Stellen waren winzig wie Seen auf einer normalen Landkarte: Ein Teil von Mecklenburg-Vorpommern (»Aber die Gegend bekommt zu viel Wetter ab«, hatte mir Tom erklärt. »Beobachter brauchen kontinentales Klima.«). Ein kleines Dunkelgebiet südöstlich von Berlin, in der Nähe der polnischen Grenze (»Das ist der Spreewald, für ein Observatorium wahrscheinlich zu feucht«). In Schleswig-Holstein fand sich ein winziger dunkler Klecks (»Bringt nichts. Auch zu nass.«). Und schließlich irgendwo im nördlichen Bayern oder südöstlichen Hessen. (»Da liegt die hohe Rhön«, vermutete Tom. »Alles Naturschutzgebiet«). Selbst die Flucht in die Alpen half nicht weiter. Höhe brachte vor allem dünnere Luft und damit klarere Sicht, aber nicht notwendigerweise mehr Dunkelheit. Die großen Täler der Nordalpen waren stärker lichtverschmutzt als die Außenbezirke Berlins. Und wie sollte Tom, ein beinahe mittelloser Amateur, auf einem Alpengipfel sein privates Observatorium aufbauen?
    Die gleichen Probleme hatte er natürlich selbst schon in Gedanken durchgespielt. Aber sie konnten ihn nicht beeindrucken. Ich glaube, es gab einfach einen Teil von Tom, der nicht bereit war,

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