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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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dichtgemacht!« rief er plötzlich und funkelte mich mit wildem Blick an. »Er hat das alles ja nie kapiert. Und jetzt soll er seinen Willen bekommen? Warum verkauft er nicht den ganzen Krempel in seinem Hof? Seine Missgeburten! Oder seine ganze Werkstatt! Oder das ganze verdammte Haus!«
    »Weil er sonst keine Arbeit mehr hat, wenn er wieder gesund wird. Du kannst ihm nicht alles nehmen.«
    »Aber er nimmt mir doch alles.«
    Die Wut musste aus ihm heraus, seine ganze Entrüstung über die Ungerechtigkeit der Welt. Innerlich hatte er sich vielleicht schon entschieden. Aber er brauchte meine Hilfe.
    »Er kann dir nicht alles nehmen. Weil du jung bist«, sagte ich. »Nur alten Menschen kann alles genommen werden.«
    Tom stand auf und betrachtete das große Eisenrohr, das in der Dunkelheit zwischen uns schwebte. Dann streckte er eine Hand aus und strich über die beiden Plaketten vor seinem Gesicht, wandte sich wieder ab und zog an einem Ende des Seils, das von der Decke herabhing. Mit einem Ächzen schob sich das Sternenrechteck über mir zusammen. Bald sah ich ein letztes Blinken in dem engen Spalt, und kurz darauf hatte sich der Himmel über uns verschlossen.



KAPITEL 1

    E in Luftzug auf meinem Nacken weckte mich. Air Condition. Durch das Fenster, an dem mein Kopf lehnte, sah ich, dass es draußen dunkel geworden war. Ich bewegte mich nicht, blieb noch einen Moment angelehnt und schloss die Augen wieder, als könnte ich dadurch in den angenehmen Zwischenzustand kurz vor der Wachheit zurückkehren. Ein paar ferne Lichtmuster waren dort unten, wie Lebenszeichen auf dem Grund der Tiefsee. Vereinsamte helle Flecken in einem tiefschwarzen Teppich und dazwischen feine Adern aus Elektrizität. Ich schloss die Augen wieder, vielleicht träumte ich noch einmal, und als ich wieder aus dem Fenster sah, waren aus den einsamen Inselchen ganze Inselgruppen und aus den Adern größere Ströme geworden. Sie liefen in Richtung Horizont, trafen sich, verästelten sich neu und wurden zusammengefasst zu noch größeren Strängen – bis in die Ferne, wo die dunkle Ebene aufhörte und auf etwas Unerhörtes stieß: Einen viel größeren Lichterteppich, eine Stadt, oder viele Städte, denn für eine einzige war sie zu groß, ein gigantischer ausgestreckter Zivilisationskörper, überwölbt von einer dampfenden Wolke aus Elektrizität. Wir flogen direkt auf das Ding zu. Zuerst, an seinen Rändern, bestand es noch aus vielen rundlichen oder eckigen Ballungen, alle mit ihrer eigenen Symmetrie und Ordnung, aber schließlich wurde es eins und breitete sich über den Grund aus wie ein ungeheures Gitternetz, ein abstraktes Schema aus gekreuzten Lichtbahnen. Wir sanken in diese Matrix hinein wie in das Innere eines Elektronengehirns. Und jetzt tauchten zum ersten Mal einzelne Autos auf. Die kleinsten Informationseinheiten der Stadt. Ihre roten und weißen Scheinwerfer zirkulierten unter mir wie ein unaufhaltsamer Elektronenfluss, ein Kreislauf, der niemals abriss und den genialen, technischen Leib am Leben hielt, dessen Schaltplan sich, je tiefer ich hinabsank, immer mehr in einem chaotischen Mikrokosmos auflöste, in einem organischeren Mosaik aus ineinander verschlungenen, improvisierten Formen, aus schnellem Wachstum und wildem Entstehen. Miniaturen von Einkaufszentren, Fabriken, Sportstadien mit leuchtend grünen Rasenflächen, lauter grelle Seesterne und irisierende Schwämme und pulsierende Mollusken, deren nun dreidi mensionale Körper sich in dem Licht aus Quecksilberdampf spiegelten, ein verrücktes Übermaß an Elektrizität, als müsste all die unter dunklen Himmeln verlebte Zeit mit einem Mal exorziert werden! Ich schloss die Augen wieder, aber in der Kabine herrschte plötzlich Betrieb. Lämpchen wurden angeschaltet, Durchsagen gemacht. Und schon kurz darauf setzten wir in der fremden Stadt auf.
    Draußen vor dem Terminal schlug uns vorsommerlich kühle Abendluft entgegen. Einen Moment standen wir da und ließen den fremden Kontinent auf uns wirken. Palmenkronen hingen schlaff in dem gleißend weißen Flutlicht rund um das Terminal. Auf fünf oder sechs Spuren rollten Busse und Taxis herbei, nahmen eilig Menschen und ihr Gepäck auf und fuhren wieder ab. Lautsprecher in dem Vordach über uns beschallten den ganzen Platz mit Rockmusik der Achtzigerjahre. Ich schulterte meine Sporttasche, ging ein Stück und hielt Ausschau nach dem Fahrer, der uns abholen sollte. Tom schleppte seinen kleinen Reisekoffer und einen großen Rucksack

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