Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
durchgesetzt?«
»Schon.«
»Weil jeder Teleskope aus Müll haben wollte?«
Tom seufzte. »Nein, Dobsons waren die ersten großen Teleskope, die sich jeder leisten konnte. Du kaufst das Zeug im Baumarkt, und dann kannst du Galaxien sehen. Das gab es vorher nicht.«
»Und er hat das erfunden?«
»Ja.«
»Wahnsinn. Hat er sich das patentieren lassen?«
»Nein, es sollte ja jeder nachmachen können! Das war seine Idee. Er lebte damals in einem Kloster und durfte nichts besitzen. Seine ersten Teleskope hat er an Kinder verschenkt.«
»Wann, sagst du, war das?«
»Ich glaube, so um 1960.«
Die Straße schlängelte sich zwischen Klippen und hohen bewaldeten Hängen hindurch. Während wir von einer Kurve in die nächste schlitterten, neigte sich der kleine Dodge jammernd nach links und rechts, bis sich zwischen den Bergen eine mächtige, mit dichtem Grün überwucherte Schlucht auftat.
»Sieht aus, als wären wir schon in Südamerika«, sagte ich.
»Das muss der Topanga Canyon sein. Wir müssen bald auf der anderen Seite sein.«
»Was auch immer da ist.«
Ich ließ den Wagen jetzt laufen, wir rollten bergab, zu unserer Linken der steile Abgrund. Wenn man sich daran gewöhnt hatte, dass das Auto auf jede Lenkbewegung reagierte wie eine Billardkugel, machte das Fahren sogar Spaß.
»Dieser Typ, Koenig, meinst du, er wickelt uns ein?«, fragte Tom.
»Ich finde ihn wirklich ganz in Ordnung.«
»Er ist Geschäftsmann. Er will nur das Teleskop.«
»Und du willst ihm das Teleskop verkaufen.«
»Aber nicht für einen Freundschaftspreis.«
»Dann war es blöd, dass wir uns für den Abend verabredet haben. Wir müssen uns verhalten wie Profis.«
»Klar. Ich pass auf, wie du es machst.«
Eine Weile fuhren wir schweigend zwischen den steilen grünen Wänden der enger werdenden Schlucht hindurch, vorbei an einer Reihe von kleinen Holzhäuschen mit Briefkasten und Garage am Straßenrand.
»Was meinst du, was die für das goldene Teleskop verlangen?«, fragte Tom.
»Keine Ahnung. Ich kann das nicht schätzen. Es ist eine Antiquität, oder?«
»Es kostet 120.000 Dollar«, sagte Tom.
Ich betrachtete ihn erstaunt.
»Es hing ein kleines Schildchen dran«, ergänzte er. »Ich bin extra noch mal hingegangen, als ich es gesehen habe.«
»An dem Ding war ein Preisschild?«
»Ja.«
»120.000«, wiederholte ich. Ich glaube, bis zu diesem Moment hatte ich nicht ganz begriffen, von welchen Werten wir überhaupt redeten. Die Zahl sickerte langsam ein.
»Unseres ist noch wertvoller, oder?«, sagte ich.
»Ja, wahrscheinlich«, erwiderte Tom.
»Bestimmt ist unseres wertvoller. Es ist größer.«
Wir erreichten den Ausgang des Canyons. Der immer enger werdende grüne Tunnel spuckte uns aus, und wir rollten auf eine offene Kreuzung. Der Himmel wurde weit, und hinter der Kreuzung sah ich unter der hohen Mittagssonne einen kräftig blauen Streifen Wasser.
Ich glaube, in dem Moment, in dem unser Auto zum ersten Mal den Asphalt des Pacific Coast Highway berührte, war es um uns geschehen: Wir konnten nicht anders, als in einen kalifornischen Bewusstseinszustand einzutreten. Aus der kleinen Blechzelle unseres Dodge heraus bestaunten wir die fantastische Hyper-Realität, die sich vor uns auftat: die spiegelnden Fassaden der auf Pfählen gebauten Strandapartments, die Buden der Bootsclubs und Strandwächter. Die aus Schiffsplanken zusammengenagelten Restaurants mit ihren Fischernetzen, die Straße, die sich in einer weiten Kurve dem in Richtung Santa Monica immer breiter werdenden Sandstrand anschmiegte, die luxuriösen Häuser, Burgen, Schlösser in den Hügeln zu unserer Linken und schließlich auch die Menschen. Durchtrainierte, ansehnliche Menschen in kurzen Hosen, die in der Nähe des Wassers ihrem Vergnügen oder Fitnessprogramm nachgingen, Rollschuh fuhren, Footballs warfen, rannten, und radelten. Im Wasser sahen wir hier und da schon einen vereinzelten Kopf oder einen mit Neopren bekleideten Körper. Möwen, groß wie Geier, torkelten träge durch die Luft. Leider rollte der Verkehr auf der Küstenstraße so schnell und stetig, dass wir mit unserem zwischen viel wuchtigeren Autos eingezwängten Spielmobil gar keine Zeit hatten, uns über einen Stopp Gedanken zu machen. No Dumping, No Parking, No Trespassing, sagten Schilder am Straßenrand. Nachdem wir viele Minuten lang nur im Verkehr mitgerollt waren, den Ozean immer im Blick, konnte ich den Wagen auf einen Parkplatz lenken. Die hohe Sonne im Rücken stiegen wir aus
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