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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Wasser von den Polkappen des Mars in Städte transportieren. Er meinte auch, Grasland zu sehen. Er hat an Büffelherden auf dem Mars geglaubt.«
    Das brachte alle Versammelten zum Lachen – außer Tom, der nicht sehr glücklich aussah. Auf ihn wirkte es wohl, als lachten sie über sein Teleskop.
    »Dann waren die Kanäle Canyons?«, fragte Rhada Anand.
    »Sie waren reine Illusionen«, erklärte der Direktor. »Das Gehirn eines zivilisierten Menschen hat die Angewohnheit, gerade Linien zu bilden. Vermutlich, weil zivilisierte Menschen zu viel über Geometrie wissen. Wir können nichts dagegen tun.«
    »Und das Grasland?«
    »Noch eine Täuschung. Der Mars ist rötlich, also sehen die dunklen Gebiete grün aus. Unsere Augen sind nun mal keine sehr genauen Messinstrumente.« Der Direktor gab dem großen Rohr einen versöhnlichen Klaps, als wollte er dessen Versagen entschuldigen.
    Tom hatte die Lippen aufeinandergepresst, wie oft, wenn etwas in ihm arbeitete. Jeder konnte sehen, dass er etwas loswerden musste, auch der Direktor.
    »Haben Sie eine Frage?«
    »Ist es möglich, mal einen Blick hindurchzuwerfen?«
    »Aber natürlich, nur zu. Es dürfte Ihnen ja keine Probleme bereiten. Die Sucher funktionieren alle. Sie können sie hier öffnen.« Er zog an einem Faden und öffnete damit eine Objektivklappe aus Blech. »Wir nennen das die Bratpfanne. Es ist ja auch tatsächlich eine Bratpfanne.« Er erntete wieder ein paar Lacher. »Hier, weiter unten, ist die Suppenschüssel.«
    Tom schien sich nicht ganz sicher zu sein. Er machte zwei Schritte auf das Teleskop zu und betrachtete die Unterseite mit dem Okular, ohne etwas anzufassen. Sie bestand aus einem unübersichtlichen Gewirr von Drehrädern, die wie Wasserhähne aussahen. Ich konnte förmlich spüren, wie viel es ihm bedeutete, dieses alte Ding zu testen, aber er schien sich nicht heranzuwagen. Unterdessen zog der Direktor an einem großen Seil, das von oben herabhing, und öffnete damit eine Klappe, die den Blick auf einen bestechend klaren Sternenhimmel freigab. Zuletzt schaltete er noch das Licht aus. Wir standen einen Moment in der Dunkelheit, und ich konnte Tom vor mir atmen hören. Aus dem Tal drang das langgezogene Geheul eines Frachtzugs zu uns herauf, ein mehrstimmiges Hupen, das sich in der durchsichtigen Nacht verlor.
    Eine eigenartige Spannung lag in dem Raum, die wohl nur Tom und ich empfinden konnten. Es war plötzlich alles wieder wie vor Monaten in Toms Observatorium. Wir waren wieder zu Hause.
    Tom schob das riesige Rohr zwei-, dreimal hin und her, indem er es einfach mit beiden Händen packte. Ich kannte das Geräusch: ein mechanisches Tackern wie von einer Fahrradkette. Oben in dem Ausschnitt erkannte ich Saturn.
    »Da ist ein starker Abbildungsfehler«, sagte Tom mit dem ersten Blick.
    »Die Linse ist nicht mehr einwandfrei«, sagte der Direktor. »Sie produziert diese violetten Halos.«
    »Vielleicht könnte man es reparieren«, sagte Tom.
    »Wozu? Solche chromatischen Fehler sind bei diesen antiken Geräten üblich.«
    »Mein Teleskop hat das nicht«, sagte Tom. »Man würde es bestimmt wieder hinkriegen.«
    »Es ist nicht so wichtig. Wir haben hier jede Menge moderne Beobachtungsinstrumente.«
    »Meinen Sie nicht …«
    »Sehen Sie«, sagte der Direktor freundlich. »Unseren Besuchern ist es egal. Sie sehen das Clark als das, was es ist: ein historisches Instrument.«
    Schließlich gab Tom auf. Er ließ von dem Teleskop ab und sah wortlos dabei zu, wie der Direktor den Himmel über uns wieder verschloss. Die Gruppe wandte sich bereits zum Gehen. Als alle die Schwelle überquert hatten, schaltete der Direktor das Licht aus und ließ das Teleskop hinter uns im Dunkeln stehen. Bevor die Tür zufiel, wandte sich Tom noch einmal um, als wollte er das vertraute Ungetüm am liebsten mitnehmen, als wollte er ihm irgendwie hier heraushelfen.
    Wir steuerten auf die kleinere Kuppel zu, die ganz in der Nähe direkt am Rand des Abhangs stand. Sie war aus Glas und ruhte auf einer Marmorrotunde mit antiken Säulen. Aus der Ferne hatte ich sie für ein Observatorium im Kleinformat gehalten. Aber nun erkannte ich ihre wahre Bestimmung. Auf einem Schild stand: »Percival Lowell Mausoleum, erected 1923.«
    »Ruhe in Frieden, Percy«, sagte Whistler.
    Die Tischordnung des Abendessens hatte der Direktor so festgelegt, dass er neben Mrs. Anand saß. Tom und ich mussten am anderen Ende der Tafel Platz nehmen, flankiert von Eric Tolwyn und Bart Dreysen. Während

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