Die Kommissarin und der Tote im Fjord
und rief Gunnarstranda an. Er war in der Buchhandlung Tanum auf der Karl Johans Gate und kaufte Weihnachtsgeschenke. Sie verabredeten sich bei der Eisbahn von Spikersuppa.
Sie fand einen Parkplatz ganz unten in der Roald Amundsens Gate und fand Gunnarstranda im Gespräch mit Frank Frølich neben der Statue von Henrik Wergeland. Aus den Lautsprechern strömte metallische Musik. Eine Menge Kinder liefen immer im Kreis auf der kleinen Eisbahn herum, die in weißes Licht getaucht war.
Lena stellte sich zu den beiden Kollegen.
»Hab gehört, du bist rehabilitiert«, sagte Frølich. »Gratuliere.«
Lena zuckte mit den Schultern. Falls Frølich bitter war, konnte sie ihn verstehen. »Liegt sicher daran, dass ich eine Frau bin, wie alles andere auch.«
Beide sahen Gunnarstranda zu, der in einer Tragetasche Bücher sortierte. »Das war Rindal«, sagte Gunnarstranda. »Er hat sich überreden lassen. Ich glaube, er hat tatsächlich eine Schwäche für dich, Lena.«
Frølich wollte am Universitetssplassen in den Bus steigen.
Sie verabschiedeten sich von ihm und gingen langsam in Richtung Stortinget.
»Hat deine Idee etwas mit Gjerstad zu tun?«, fragte Gunnarstranda.
Sie nickte.
Gunnarstranda schnitt eine misstrauische Grimasse. »Und du meinst immer noch, dass es Gjerstad war, der Adeler ertränkt hat?«
Sie nickte.
»Und er hat auch Nina Stenshagen erschossen und sie vor den Zuge geworfen? Und Stig Eriksen erschossen?«
Lena antwortete nicht.
»Wo hatte er denn die Waffe her? Ich will nicht zu viel über das Privatleben meiner Kollegen wissen. Aber als ihr zusammen wart, hast du da eine Pistole gesehen? Und ich meine nicht Pistole im übertragenen Sinne.«
Lena sagte immer noch nichts. Sie erinnerte sich an den Mann, der mit einer Waffe in der Hand hinter ihr her gelaufen war – und der Steffen Gjerstad kannte. Und dann in Steffens Wohnung auf sie gewartet hatte.
Sollte sie Gunnarstranda davon erzählen? Lena konnte den Gedanken nicht weiter verfolgen.
»Wenn du meinst, dass Steffen Gjerstad der Täter ist, dann reicht es nicht, dass er die Opfer irgendwann interviewt hat. Du brauchst Beweise. Du musst beweisen, dass Steffen Gjerstad zusammen mit Adeler auf dem Kai war. Und du brauchst ein Motiv. Warum hat er Adeler umgebracht? Außerdem brauchst du die Waffe, mit der Nina und Stig erschossen wurden. Und du musst erklären, was es mit der Morddrohung gegen Aud Helen Vestgård auf sich hat. Hast du die Antworten?« Gunnarstranda hatte keine Lust zu warten. »Lass uns gehen«, sagte er. »Mir wird langsam kalt.«
Lena spürte, dass der Moment gekommen war. »Warte«, sagte sie. »Wie gesagt, ich habe eine Idee.«
Gunnarstrada blieb wieder stehen.
»Ganz egal, wer Adeler vom Kai gestoßen hat. Ich glaube, ich weiß, wie wir den Betreffenden aus der Reserve locken können«, sagte sie.
»Wie?«
»Stig Eriksen und Nina Stenshagen müssen nicht die Einzigen gewesen sein, die mit angesehen haben, was an dem Morgen geschah. Wir könnten einen weiteren Namen durchsickern lassen«, fuhr sie fort. »Wir benutzen Informanten und andere Quellen, um den Namen zu verbreiten. Der Täter hat bis jetzt alle Augenzeugen eliminiert. Wenn wir einen weiteren Zeugen benennen, wird er garantiert versuchen, auch diesen auszuschalten.«
Gunnarstranda konnte nicht verbergen, dass ihm der Vorschlag missfiel. »Solche Provokationen sind nicht legal. Außerdem«, fuhr er nachdenklich fort, »wenn wir einen dritten Augenzeugen erfinden, bräuchten wir einen Lockvogel, und den bekommen wir nicht, denn dann müssten wir Rindal informieren, und die ganze Aktion wäre geplatzt.«
Lena drehte sich zum alten Universitätsgebäude um. Unter der Weihnachtsdekoration konnten sie Frølich stehen sehen, der mit den Händen in den Jackentaschen auf den Bus wartete. Lena streckte eine behandschuhte Hand aus und zeigte auf ihn.
»Ein Polizist, der schon vom Dienst suspendiert worden ist, kann nicht noch einmal suspendiert werden«, sagte sie.
Gunnarstranda schüttelte den Kopf. »Provokationen sind ein Unding«, sagte er. »Ein Schuss ins Blaue. Du weißt nie, ob du triffst, und wenn du triffst, dann weißt du erst sehr viel später, wen oder was du getroffen hast.«
»Du bist also dagegen?«
Gunnarstranda antwortete nicht.
»Du bist nicht dagegen?«
Gunnarstranda holte tief Luft und wollte antworten. Aber sie kam ihm zuvor.
»Wenn Frank ja sagt, bist du dann immer noch dagegen?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, ließ Lena ihn stehen und
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