Die Kommissarin und der Tote im Fjord
weißt du, was sie geantwortet hat? Woher soll ich denn das wissen? «
»Wovon redest du eigentlich?«, fragte Rise.
»Ich mache dir ein Angebot: Die Ermittlungen im Fall Adeler stehen vor einem Durchbruch. Der wird morgen passieren. Wenn du mir hier und jetzt, ohne irgendwelche Mätzchen erzählst, warum du deinen Job nicht gemacht hast, als du den Auftrag hattest, die Morddrohung gegen Aud Helen Vestgård zu überprüfen, dann bleibst du im Team und bist bei der Aufklärung des Falls dabei. Wenn nicht, dann bist du draußen. Und du bist nicht nur draußen. Ich werde auch alle darüber informieren, warum du draußen bist. Das wird die Hölle für dich, nicht nur in Oslo, sondern in jedem verdammten Polizeidistrikt, in dem ich jemanden kenne. Du hast dreißig Sekunden.«
Gunnarstranda zog seinen Jackenärmel hoch und nahm die Zeit.
Rise sah ihn vom Bett aus an. »Du bist verdammt noch mal echt ein komischer Kauz«, sagte Rise.
»Die Zeit ist um«, sagte Gunnarstranda und ging zur Tür.
»Na gut«, brüllte Rise vom Bett her.
Gunnarstranda drehte sich um.
Rise schaltete den Fernseher aus. Ein paar Sekunden saß er da und konzentrierte sich. »Ich bin zu ihrem Haus gefahren, direkt bei der Frogner Kirche. Als ich da stehe und grade klingeln will, kommt Steffen Gjerstad – ein alter Kumpel. Er klopft mir auf die Schulter. Er hat da gestanden und gewartet, dass jemand von der Polizei auftaucht. Er fragt mich, ob ich die Aussage von einer Frau aufnehmen will, die einer Parlamentsabgeordneten einen Drohbrief geschrieben hat. Ich frage, woher weißt du das? Steffen erzählt, dass er das Mädchen kennt. Sie gehen ab und zu zusammen aus und haben Spaß. Den Brief hätte er in ihrem Namen geschrieben. Die Drohung sei nur Quatsch, er habe es aus Spaß gemacht.«
»Steffen Gjerstad? Der Journalist? Und er wartet vor ihrem Haus? Auf die Polizei?«
»Ja«, sagte Rise. »Er hat da gewartet, um ein Missverständnis aufzuklären! Es tat ihm leid, dass er den Brief geschrieben hatte, der Einfall sei idiotisch gewesen. Er hat erwartet, dass die Polizei darauf reagieren würde, und hat auf sie gewartet, um genau das aufzuklären!«
Gunnarstranda musste grinsen. »Stell dir vor, wie glücklich Gjerstad gewesen sein muss, als er sah, wer da kam. Ein Polizist, den er von früher kannte. Wohnst du auf Nesodden oder in Notodden, Rise?«
Rise war vom Bett aufgestanden. Seine Augen funkelten. »Das Ganze war eine Bagatelle. Steffen hatte den Drohbrief verfasst und aus Spaß mit ihrem Namen unterschrieben. Aber nachdem er den Brief in den Briefkasten vom Storting geworfen hatte, hat er es bereut. Ihm war klar, dass die Frau doch etwaszu viel Ärger kriegen würde. Deshalb hat er sich vor das Haus gestellt, um das Missverständnis aufzuklären, wenn die Polizei auftauchte. Als ich kam, hat er mich um einen Gefallen gebeten – nämlich ob ich einen Haufen Ärger und Arbeit mit Verhören und Zeugenaussagen und so weiter verhindern könnte, die sowieso zu nichts führen würden. Der Fall war geklärt. Er hat gestanden, dass er den Brief geschrieben hat. Das Ganze war nur ein Streich – die beiden haben immer noch Spaß miteinander. Ich hab den Fall sofort zu den Akten gelegt.«
»Aber er hat dich angelogen. Die Frau hat keine Ahnung, wer Steffen Gjerstad ist. Das hättest du rausbekommen, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, deine Arbeit zu tun und mit ihr zu sprechen.«
Rise antwortete nicht. Er blinzelte mit schweren Augenlidern.
Gunnarstranda schüttelte den Kopf. »Wo ist der Polizist in dir? Immerhin hattest du einen Brief in der Hand, in dem einer Parlamentsabgeordneten mit Mord gedroht wurde. Und du machst dir nicht einmal die Mühe, mit der Frau zu sprechen?«
»Steffen ist mein Freund.«
Gunnarstranda kehrte ihm den Rücken zu und ging zur Tür.
Rise folgte ihm bis ins Treppenhaus. Gunnarstranda drückte auf den Fahrstuhlknopf.
»Warum willst du, dass ich dich informiere, wenn du nichts zurückzugeben hast?«
»Was willst du wissen?«
»Du hast gesagt, es wird einen Durchbruch geben. Was passiert? Wann? Wo?«
»Solltest du nicht eher daran interessiert sein, herauszufinden, warum Steffen Gjerstad dir ins Gesicht gelogen hat?«
Rise blinzelte wieder.
Gunnarstranda wartete ab.
»Sag mir, was läuft«, wiederholte Rise mit brennendem Blick.
Seine gebeugte Gestalt, die die Tür bewachte, wirkte in diesem Moment so tragisch, dass Gunnarstranda Mitleid mit ihm bekam. Er räusperte sich und sagte mit leiser
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