Die Kommissarin und der Tote im Fjord
sehen.
Sie tastete die Gesichter ab, reckte den Hals, um die Gesichter derjenigen zu erkennen, die zum Teil hinter anderen versteckt standen.
Das Ergebnis war einfach: Steffen war nicht da.
Rindal räusperte sich und gab ihr ein Zeichen.
Lena griff nach dem Mikrophon und begrüßte die Anwesenden.
Ein übergewichtiger Journalist mit blonder, wallender Mähne streckte die Hand in die Luft. Lena ignorierte ihn. Sie las von ihrem Spickzettel ab:
»Am Morgen des 10. Dezember, einem Donnerstag um acht Uhr elf, ging bei der Polizeizentrale die Meldung ein, dass eine Person leblos im Hafenbecken triebe, zwischen Rathauskai 1 und Rathauskai 2. Der Anrufer war der Kapitän einer Nesoddfähre. Der Krankenwagen erreichte den Ort um acht Uhr sechzehn. Der Mann wurde für tot erklärt. Die Gerichtsmedizin hat seitdem bestätigt, dass die Todesursache Ertrinken war und dass der Tod irgendwann zwischen fünf und sechs Uhr morgens eingetreten ist. Der Tote wurde von der Polizei als Sveinung Adeler identifiziert, 31 Jahre alt und wohnhaft in Oslo. Es war sehr kalt, die nächtliche Tiefsttemperatur betrug minus 25 Grad, und der Tote war dünn bekleidet, als er gefunden wurde. Die Wassertemperatur lag um den Gefrierpunkt. Der Zeitraum, bis ein Körper unterkühlt ist, ist unter solchen Bedingungen sehr kurz, circa ein bis zwei Minuten. Da sich bisher keine Zeugen gemeldet haben, ermitteln wir nach wie vor, um die Todesumstände zu klären. Die Polizei sucht deshalb nach Zeugen, die eventuell gesehen haben, wie Adeler zwischen fünf und sechs Uhr am Morgen des Donnerstag, 10. Dezember, ins Wasser fiel. Wir bitten alle, die in diesem Zeitraum in der Nähe des Rathauskais, der Aker Brygge oder am Rathausplatz gewesen sind, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Außerdem bitten wir diejenigen, die den Verstorbenen am Vorabend oder in der Nacht zum Donnerstag gesehen haben oder mit ihm zusammen waren, sich zu melden.«
Sie nickte zur Uhr. »Wir haben ein paar Minuten für Fragen vorgesehen. Ich glaube, Dagbladet war zuerst dran.«
»Sie haben Adelers Tod gerade als einen Unfall beschrieben. In Dagens Næringsliv werden Sie zitiert und behaupten, Adelers Tod werde als verdächtiger Todesfall behandelt.«
»Für das, was in Dagens Næringsliv steht, muss sich Dagens Næringsliv verantworten«, sagte Lena. »Ist jemand von Dagens Næringsliv anwesend?« Sie sah über die Versammlung. Alle verdrehten die Köpfe, aber niemand antwortete.
Mehrere meldeten sich zu Wort. Der Journalist von Dagbladet stand auf. »Sie haben die Frage nicht beantwortet. Wird Adelers Tod als verdächtiger Todesfall betrachtet oder nicht?«
»Es ist die Aufgabe der Polizei, klarzustellen, was tatsächlich passiert ist«, sagte Lena. »Ich glaube, jetzt war TV 2 dran.« Sie nickte einer blonden jungen Frau Anfang zwanzig zu, die sich mit dem Mikrophon vor dem Mund erhob.
»Welchen Kommentar hat die Polizei zu dem Artikel in Dagens Næringsliv, der meint, dass Adelers Tod mit den Investitionen des Norwegischen Ölfonds in Westsahara in Verbindung stehen könnte?«
»Die Polizei ermittelt die Umstände des Todesfalls. Unsere Arbeit besteht darin, abzuklären, was am Donnerstagmorgen tatsächlich passiert ist. Wir befassen uns nicht mit Adelers Anstellungsverhältnis oder Spekulationen bezüglich seines Arbeitsgebietes.«
Ein unzufriedenes Murmeln breitete sich im Raum aus.
Lena hob die Stimme. »Aufgabe der Polizei ist es, festzustellen, was Adeler in der Nacht zum 10. Dezember getan hat, warum er im Hafenbecken landete und ertrank. Wenn Adelers Bewegungen in diesem Zeitraum festgestellt sind, wird die Polizei ihre Schlüsse daraus ziehen. Dafür brauchen wir Hinweise aus der Bevölkerung. Alle, die etwas darüber wissen, wo sich Adeler in der Nacht zum Donnerstag wann aufgehalten hat, werden gebeten, sich zu melden.«
Sie nickte dem Vertreter von Aftenposten zu: »Ja?«
»Welchen Kommentar hat die Polizei dazu, dass Sveinung Adeler mit Aud Helen Vestgård und einem politischen Extremisten zusammen war, bevor er starb?«
»Sveinung Adeler hatte Kontakt zu vielen Menschen, bevor er starb. Das ist unser Kommentar dazu.«
Die Journalisten begannen sich gegenseitig lautstark ins Wort zu fallen.
Lena rückte das Mikrophon zurecht und bat um Ruhe. »Adeler war am Mittwoch bei einem Abendessen im Flamingo , einem Restaurant in Grefsen. Es gibt Zeugen, die bestätigen,dass er das Restaurant um 23.00 Uhr verließ. Die Polizei braucht Hinweise darüber, was
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