Die Kommissarin und der Tote im Fjord
eigenen Schlüssel gegeben. Sie waren nachts von dem Alarm aufgewacht. Steffen war genauso durcheinander gewesen wie sie. Er konnte nichts mit der Brandstiftung zu tun haben. Sie musste selbst die Verantwortung für alles übernehmen, was geschehen war. Immerhin hatte sie Stian Rømer als Erste aufgespürt. Schließlich hatte sie sich der Anordnung von Ingrid Kobro widersetzt. Stian Rømer war in Gamlebyen hinter ihr her gerannt. Und danach war er untergetaucht.
So musste es gewesen sein! Stian Rømer hatte Steffen durch sie ausfindig gemacht. Immerhin hatte der Mann ihr ja nachspioniert. Stian Rømer hatte an jenem Abend in dem Leihwagen vor ihrer Haustür gesessen. Stian Rømer hatte herausgefunden, wo Steffen wohnte. Als sie gestern Abend direkt ins Netz gegangen war, hatte er sich vor Steffens Hauseingang postiert und gewartet, bis Steffen und sie schließlich das Licht im Schlafzimmer löschten. Dann hatte er ihnen noch eine Stunde oder zwei Zeit gelassen, bis er sicher war, dass alle schliefen. Und dann war er in Aktion getreten.
Aber warum?
Warum hat mich Steffen in seine Wohnung gelockt? Warum ist dieser Mann hinter mir her gelaufen? Warum wollte er mich umbringen?
Es war ihr schleierhaft.
Lena holte tief Atem und hob den Kopf.
Sie sah direkt in Steffens Augen, der vor der Bibliothek stand und ihren Blick erwiderte.
Er hob eine Hand und winkte. »Lena!«
Sie wollte nicht mit ihm sprechen. Nicht jetzt. Sie drehte den Zündschlüssel herum. Der Motor sprang an.
Er kam mit großen Schritten auf ihren Wagen zu. Nein, dachte Lena. Sie gab Gas. Eine Hupe ertönte. Es war ihr egal, sie fuhr auf die Fahrbahn. Gab noch mehr Gas. Sah in den Rückspiegel. Ein Kastenwagen hatte ärgerlich den Warnblinker eingeschaltet, dahinter stand Steffen mit erhobenen Armen und einem verwirrten Gesichtsausdruck. »Scheiße!« Lena schlug mit der Hand auf das Lenkrad. Ihr war heiß vor Scham. Bloß weg hier!
7
Der Erste, der ihr begegnete, als sie das Polizeipräsidium betrat, war Emil Yttergjerde. Er hielt sie am Arm fest.
»Hast du dich verletzt??«
Lena strich mit dem Zeigefinger den Riss über ihrem Auge entlang. »Herpes, richtig beschissen.«
Yttergjerde runzelte die Stirn. »Bei Herpes hat man Stellen am Mund.«
Sie nickte. »Oh, du meinst den Riss über dem Auge?«
»Was dachtest du denn?«
Lena zuckte mit den Schultern. »Kann man nie wissen. Aber ich bin auf der Skiloipe hingeknallt. Das Licht ging aus, bevor ich mit der Runde fertig war.«
»Kommst du heute Abend mit auf ein Bier?«
Lena brauchte nicht lange, um sich zu entscheiden. »Ja«, sagte sie.
Die Schwester hatte gesagt, sie solle sich schöne Momente gönnen. Ein Bier nach der Arbeit war ein schöner Moment.
Um ihren paranoiden Gedankenstrom unter Kontrolle zu bekommen, nahm Lena die Suche nach der mysteriösen L. wieder auf. Versuchte, die Telefonnummern auf Sveinung Adelers Handy herauszubekommen.
Als sie das Resultat betrachtete, fühlte sie sich nicht wesentlich klüger. Immerhin hatte sie feststellen können, dass eine der Nummern zu einem nicht registrierten Handy gehörte. Sie rief diese Nummer an und bekam die Mitteilung, das Handy sei ausgeschaltet oder es befände sich in einem Gebiet, wo es keinen Empfang hatte. Sie trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Irgendetwas sagte ihr, dass es sich lohnte, dem weiter nachzugehen.
Sie rief bei Telenor an und bat darum, das Handy aufzuspüren. Dann ging sie die Liste der Telefonnummern noch einmal durch. Jetzt konzentrierte sie sich darauf, welche Nummern Sveinung Adeler am Montag, Dienstag und Mittwoch angerufen hatte – also an den Tagen vor dem berüchtigten Restaurantbesuch.
Sveinung Adeler hatte zwar viel telefoniert, sein Handy allerdings in der Arbeitszeit wenig benutzt. Da die Verabredung mit L. am Mittwochabend gewesen war, musste er sie einen oder mehrere Tage zuvor eingegangen sein. Am Montag, dem 7. Dezember, um 10.27 Uhr hatte er mit seinem Handy ein Festnetztelefon angerufen, das sich irgendwo außerhalb Oslos befinden musste.
Warum hatte Adeler diesmal während der Arbeitszeit sein privates Handy benutzt?
Vielleicht war er rausgegangen, um beim Telefonieren allein zu sein? Und wenn das so war, warum hatte er allein sein wollen? Vielleicht wollte er ein persönlicheres Gespräch führen?
Lena überprüfte die Nummer. Sie gehörte zur Zentrale der Tax-Free-Shops am Osloer Flughafen.
Lena rief dort an.
Ich tue viele merkwürdige Dinge in diesem Job, dachte sie
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