Die Kommissarin und der Tote im Fjord
ich? Welcher Tag ist heute?
Sie schnupperte und roch die Ursache dafür, das sich ihr Magen umdrehte. Es roch nach Spiegelei und gebratenem Speck. Himmelherrgott, was für ein furchtbarer Gestank!
Sie stöhnte laut.
Da hörte sie, wie sich in einem anderen Raum jemand bewegte.
Im selben Moment wurde ihr der Ernst ihrer Situation bewusst. Sie lag im Bett eines fremden Mannes! Es war ein Doppelbett mit nur einer Bettdecke. Sie hob die Bettdecke an.
Lieber Gott, sie lag splitternackt im Bett eines fremden Mannes!
Was ist passiert? Was habe ich getan?
Sie sah sich angestrengt nach ihren Kleidern um. Sie waren nirgends zu sehen.
Wer befand sich im Nebenzimmer?
Lena versuchte sich aufzusetzen, aber ein erneuter Übelkeitsanfall zwang sie wieder in die Waagerechte.
Der oder diejenigen, die sich im Nebenzimmer befanden, näherten sich der Tür.
Sie musste sich verteidigen! Was sollte sie …
Lena starrte auf die Türklinke. Sie bewegte sich nach unten. Langsam öffnete sich die Tür.
Ein haariges Gesicht unter einem dichten Haarschopf kam dahinter zum Vorschein.
»Wach?«
Es war Frank Frølich.
»Du!«, rief Lena aus. »Was machst du hier?«
»Ich wohne hier.«
»Oh«, sagte Lena und zog sich die Decke bis zum Kinn hinauf.
Frølich trat in den Raum und warf ihr ein Kleidungsstück zu.
Ihre hellblaue Unterhose. Sie landete auf dem Boden.
»Was machst du mit meiner Unterwäsche?«
»Nichts. Dachte nur, du willst dich vielleicht anziehen vor dem Frühstück.«
Lena betrachtete ihn schockiert.
»Moment mal«, sagte er und verschwand wieder. Ein paar Sekunden später kam er mit einem Bündel Kleider zurück und legte sie aufs Bett. »Wenn du duschen willst, liegen Handtücher im Schrank im Bad.«
Er wollte wieder gehen.
»Du!«
»Ja?«
»Mir ist kotzübel.«
»Du hast einen Kater.«
»Ich kann mich an nichts erinnern.«
Er lächelte und bekam diesen teuflischen Blick.
»Sei ehrlich«, sagte sie.
»Wieso?«
»Sofort. Ich muss sofort die Wahrheit wissen.«
»Bin ich nicht immer ehrlich?«
Er drehte sich auf dem Absatz um, mit einem breiten Grinsen um den Mund. »Du willst wissen, ob wir heute Nacht gesoffen haben? Aber hallo, das haben wir!«
»Du weißt genau, was ich meine!«
»Was denn?«
Lena schwitzte vor Verzweiflung.
»Du willst wissen, ob wir …« Er grinste noch breiter und zwinkerte ihr zu. »Ob du und ich … Würde nur zu gerne ja sagen«, sagte er, »aber dazu warst du nicht mehr in der Lage.« Er betrachtete sie mit dem gleichen teuflischen Blick.
Sie wollte nicht mehr hören. Hielt sich die Ohren zu, während ihr die Schamesröte auf den Wangen brannte.
»Ich musste dich hier reintragen und hab dann selbst auf dem Sofa im Wohnzimmer geschlafen.«
Sie schwitzte, war immer noch rot im Gesicht, lächelte abervorsichtig. »Jetzt machst du Witze«, sagte sie zaghaft und suchte nach etwas in seinem Blick, das ihr bestätigen konnte, dass es so gewesen war.
Er schüttelte den Kopf und räusperte sich. »Wenn du wieder in Form bist und das Angebot noch steht …«
»Nein«, sagte sie schnell. »Geh raus. Ich muss mich anziehen.«
Er drehte sich um und wollte gehen.
»Du, Frank«, sagte sie.
»Ja?«
»Hab ich was gesagt, über mich, privat?«
Er runzelte die Stirn. »Du hast die alte Leier abgespult, mit deinem Vater, der gestorben ist und bla bla bla. Sorry, aber wenn du damit anfängst, höre ich schon immer weg.«
»Haben wir über Krankheit geredet?«
»Nein, wieso?«
»Egal.«
Er ging und schloss die Tür hinter sich. Sie setzte sich auf. Ihre Hände zitterten. Was war an diesem Morgen eigentlich passiert? Und warum passierte ihr das?
Sie schloss die Augen. Die Erinnerung an die Autofahrt war ebenso fragmentarisch wie die an den gestrigen Abend und die Nacht. Die Faust, die zuschlug. Sein Gesicht. Sie hatte ihn schon einmal gesehen. Er hatte die Tür aufgerissen und seine Muskeln spielen lassen. Hatte eine Handfeuerwaffe in seinen Hosenbund gesteckt und war hinter ihr her gestürmt. Stian Rømer.
Er hatte gewusst, wer sie war, als er ihr die Tür aufmachte. Er wollte sie in die Wohnung locken. Und gestern Morgen hatte er in Steffens Wohnung auf sie gewartet.
Frank klopfte an die Tür. »Kommst du? Wollen wir frühstücken?«
»Komme«, sagte Lena und begann sich anzuziehen.
2
Der Anblick von Frank Frølich, dem Eigelb auf den Kinnbart tropfte, war zu viel für sie. Lena mochte gar nicht an Essen denken und ging einfach. Sie hatte sich Franks Anweisungen
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