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Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Titel: Die Kommissarin und der Tote im Fjord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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weil ich zur Arbeit musste. Was schert dich das?«
    Endlich trafen sich ihre Blicke.
    »Wollte eigentlich gerade gehen«, sagte er.
    Sie nickte.
    Plötzlich breitete er seine Arme aus und umarmte sie.
    Sie konnte nicht reagieren. Stand ganz steif da.
    Er ließ sie los und sah ihr in die Augen. »Lena, was ist denn bloß los?«
    »Ich habe Krebs«, sagte sie.
    Sie hätte ihm genauso gut ins Gesicht schlagen können. Sein Gesicht wirkte nackt und verletzbar, als er blinzelte. Er blinzelte noch einmal. Sein Blick begann zu flackern.
    »Kann ich etwas tun?«
    »Glaube nicht. Geh jetzt, tu, was du tun musst.«
    Sie drehte sich um und wollte gehen. Er griff nach ihrer Hand. Offensichtlich fand er die Situation ebenso absurd und merkwürdig wie sie.
    »Ja?«, sagte sie.
    »Erzähl mir davon«, sagte er.
    »Wovon?«
    »Was du gerade gesagt hast.«
    »Hast du Zeit?«
    Er hob hilflos die Hände. »Morgen?«
    Das Schiff hatte abgelegt. Der Abstand zwischen ihnen wurde mit jedem Wort größer. Sie tat, als würde sie über seinen Vorschlag nachdenken. »Ruf mich morgen an«, sagte sie.
    Er nickte und gab ihr einen schnellen Kuss, dann drehte er sich um und ging. Als er schon fast durch die Tür war, warf er einen letzten Blick über die Schulter. Hob die Hand zu einem Gruß. »Das war Quatsch, oder? Dass heute irgendwas passiert wäre?«
    Sie hob eine Hand und winkte ohne zu antworten.
    Die Tür schlug hinter Steffen zu.
    Lena stand reglos. Ich habe Krebs . Das war das erste Mal, dass sie das Wort laut ausgesprochen hatte. Die Art, wie sie es gesagt hatte, der Klang, den das Wort bekam, war unheimlich.
    Steffen hatte gefragt, ob er etwas tun könne, als hätte sie ihm erzählt, sie habe den letzten Bus verpasst. Er hatte nicht einmal gefragt, was für einen Krebs sie hatte. Es hatte ihn nicht interessiert. Als er merkte, dass er falsch reagiert hatte, hatte er sich besonnen und sie gebeten, darüber zu sprechen.
    Nein, dachte sie sofort. Sie hatte kein Recht, seine Reaktion zu verurteilen. Sie war diejenige, die am falschen Ort zur falschen Zeit damit rausgeplatzt war. Sie hatte die schwierige Situation geschaffen. Oder?
    Eine Krankheit kommt niemals gelegen .
    Lena riss sich los und ging zurück.
    Monica stand auf, um ihr Platz zu machen. »Ich habe gesehen, dass du mit Steffen gesprochen hast«, sagte sie.
    Lena betrachtete die blonde Monica mit dem Blick eines Schlafwandlers.
    »Monica kennt ihn«, sagte Emil. »›Den Anhänger‹. Monica arbeitet da.«
    Lena sah immer noch Monica an, die betreten lächelte. »Ein paar Journalisten mit bösen Zungen nennen Steffen den ›Anhänger‹, wohl weil er sich öfter an die Projekte anderer dran hängt, als selbst zu recherchieren. Unter vielen Journalisten herrscht eine ziemlich heftige Konkurrenz«, fügte sie fast entschuldigend hinzu.
    Lena blinzelte. Es war merkwürdig zu hören, wie hinter Steffens Rücken über ihn geredet wurde. ›Der Anhänger‹! Das musste doch demütigend für ihn sein! Trotzdem freute es sie nicht. Alle Gedanken an Steffen taten nur weh. Sie wollte nicht mehr an ihn denken. Sie wollte trinken.
    Doch sie wurde erst aus ihrer Trance gerissen, als Emil Yttergjerde mit einer Hand vor ihrem Gesicht wedelte. »Lena, ist jemand zuhause? Lust auf Bier und Cognac?«
    »Ja«, sagte Lena. »Sehr.«

SONNABEND, 19. DEZEMBER
1
    Ihre Augenlider fühlten sich an wie zwei Briefmarken mit klebriger Leimschicht. Sie kämpfte damit, sie zu öffnen. Aber sie wollte es schaffen. Es flimmerte. Scharfes, ekelhaft grelles Licht drang zwischen den Wimpern herein.
    Da.
    Der Raum war voller Tageslicht. Also musste es schon nach neun Uhr morgens sein. Ihr Bauch fühlte sich an wie ein Lehmklumpen. Unmöglich, ihn zu bewegen.
    Warum? Sie hatte keine Ahnung, begriff aber, dass sie ganz still liegen musste.
    Ich sehe an eine Zimmerdecke, also bin ich am Leben, ich existiere, aber wo?
    Sie sah direkt auf eine Deckenlampe. Der Schirm war ein Teller, geschmückt mit Bildern von Donald Duck.
    Sie drehte den Kopf nach links und versuchte dabei, den Magen nicht zu sehr zu provozieren. Was für ein schrecklicher Schrank. Ein IKEA-Modell aus dem vorigen Jahrhundert. Breite, braune Türen und weiße Seitenwände.
    Neben dem Bett stand ein Sprossenstuhl. Über dem Stuhl lagen ein Paar lange Herrenunterhosen, in Blau.
    Wo auf diesem Planeten befand sie sich?
    Ihr brach am ganzen Körper der Schweiß aus. Ein neuer Übelkeitsanfall bahnte sich an.
    Ich habe einen Kater, dachte sie, aber wo bin

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