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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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der seinen Weg ertastete. Bis er die Tür erreicht hatte, die nach draußen führte, wurde er selbstsicherer. Jeder Schritt fühlte sich wie ein Erfolg an; jede Sekunde, die er lebte, war ein glattes Wunder. Er griff nach der Klinke und zögerte. Vielleicht war es besser, es für heute genug sein zu lassen. Morgen konnte er immer noch versuchen, nach draußen zu gehen.
    Er warf einen Blick zurück auf die Wachen. Beide wandten ihren Blick ab und schauten woanders hin, aber sie hatten ihn beobachtet. Er konnte nicht einfach umdrehen, ohne wie ein Idiot auszusehen.
    »Ein paar Minuten können nicht schaden«, murmelte er, als er den Türknauf drehte und in den trüben, grauen Nachmittag hinaustrat. Er blickte direkt in die grausamen, schwarzen Augen von Knabber-Ned, der auf Wards Schulter saß. Der Geier gab ein kratziges Kreischen von sich und breitete die Flügel aus. Neds Gefühl des Grauens kehrte zurück.
    Ward salutierte, aber Ned bemerkte es kaum, so fest war sein Blick auf Knabber gerichtet. »Hallo, Sir. Schön, Sie auf den Beinen zu sehen.«
    Ned schluckte seine Angst hinunter und murmelte etwas, das nicht einmal er selbst verstand.
    »Fühlen Sie sich gut, Sir?«, erkundigte sich Ward. »Sie sehen ein bisschen blass aus.«
    »Gut. Mir geht’s gut.«
    Ned wandte den Blick ab, und Knabber faltete seine Flügel, schnappte mit dem Schnabel und wippte auf Wards Schulter. Nach den frischen, roten Narben zu urteilen, hatte der Vogel Schwierigkeiten, eine Position zu finden, die ihm lange gefiel.
    »Schön zu hören, Sir. Ehrlich gesagt, ich hatte mir langsam ein bisschen Sorgen gemacht. Und Knabber hier auch. Hat in den letzten paar Tagen kaum was gegessen. Stimmt’s, Knabber?« Er hob die Hand und streichelte den Geier, nur um ihn sich von Knabbers scharfem Schnabel einklemmen zu lassen. Der Oger kicherte gutmütig, während er darum rang, seine Finger zu befreien. »Sehen Sie? Er ist schon wieder ganz der Alte, verspielt wie immer.«
    Während Knabber zerrte, wandten sich die Augen des Geiers keinen Moment von Neds Blick ab. Wards Finger waren nicht die bevorzugte Mahlzeit des Aasfressers, ging es Ned durch den Kopf.
    Ward salutierte wieder. »Wenn Sie mich entschuldigen, Sir…«
    »Sie sind entschuldigt«, sagte Ned. Solange der Oger nur diesen verdammten Geier mitnahm. Aber als Ward davonging, hüpfte Knabber von seiner Schulter und flog auf ein hohes Hausdach. Er starrte unverwandt auf Ned herunter.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Sir«, sagte Ward. »Dort, wo er alles sehen kann, sitzt er gern. Aber komisch ist es schon. Normalerweise sitzt er auf der Nordwestecke.«
    Der geeignete Ort, grübelte Ned, um in sein Büro zu starren. Einige Male hatte er an seinem Zufluchtsort den kalten Schauder des Todes im Nacken gespürt, der ihn belauerte. Jetzt sah er ihn in diesem Vogel, dieser hässlichen Karikatur eines Omens, so offensichtlich, auch so einfallslos, dass er sich weigerte, es ernst zu nehmen. Aber wenn Knabber ihm je nahe genug kam, beschloss Ned, würde er dem götterverdämmten Vogel mit seinem sprechenden Stab den Schädel einschlagen, und sei es nur aus dem einen Grund, damit der wertlose Stock zu irgendetwas nütze war.
    Schnell umrundete Ned die Kupferzitadelle. Überall waren Soldaten mit den verschiedensten Trainingseinheiten beschäftigt. Der Haupthof war in kleinere Gruppen aufgeteilt. Überraschenderweise schien die Oger-Kompanie Spaß daran zu haben. Nicht alle natürlich. Ned fing eine anständige Anzahl wütender Blicke auf, doch der Mehrheit schien die Arbeit nichts auszumachen, und ein bemerkenswerter Prozentsatz absolvierte das Training mit Begeisterung. Er nahm an, dass die Soldaten, nachdem sie sich an den Gedanken gewöhnt hatten, froh waren, etwas anderes zu tun zu haben, als den ganzen Tag herumzusitzen und zu trinken.
    Jetzt konnten sie Spiele machen, während sie tranken.
    Die Soldaten hatten ihre Kreativität angewandt, um das Trinken und die Kriegskunst zu kombinieren. Im Ringkampfunterricht brachte es ein Freibier, wenn man den Gegner festnagelte. Festgenagelt zu werden offenbar auch - allerdings einen kleineren Krug. An einer Seite stand ein Tisch mit sechs ordentlichen Krügen Bier, und wer eine Runde um die Zitadelle am schnellsten schaffte, hatte die erste Wahl. Alle Soldaten, die als siebter oder später ankamen, mussten leer ausgehen, bis ihre schnelleren Kameraden, schwerfällig vom Trinken, ein bisschen langsamer wurden. Ein Seil hinaufklettern, während jemand ein

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