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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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jetzt, da ich mit dir in diesem Raum stehe, nichts als einen sterblichen Mann sehe. Nicht der kleinste Hinweis auf die unglaubliche Macht, die nur in dir wartet.«
    Das Pendel drehte sich so kaum merklich in Neds Richtung, dass es genauso gut der Wind hätte sein können. Aber der Stein glühte in einem sanften Rot.
    Rucka sagte: »Ich werde dir nicht sagen, wie schwierig es war, überhaupt erst an die Pendel heranzukommen, wie viele lästige Götter ich töten musste, wie viele rivalisierende Dämonen-Lords ich abschlachten musste und wie viele Seelen ich bei dieser meiner Suche verschlungen habe. Mein einziger Trost ist der, dass ich das Töten, Abschlachten und Verschlingen genieße. Kommt mir eigentlich kaum anstrengend vor, wenn ich ehrlich bin.«
    Ruckas vier kleine Flügel schwirrten wie die eines Kolibris und er schoss von seinem Thron hoch und schwebte vor Ned in der Luft. Das Pendel glühte heller und sein Ausschlag war unleugbar, als es in Richtung Ned zog.
    »Hast du jemals versucht, die Welt mit einem Pendel abzusuchen?«, fragte Rucka. »Sie sind teuflisch schwer zu benutzen und nicht annähernd so empfindlich, wie es hilfreich wäre. Ganz zu schweigen davon, dass es nur neun von ihnen gibt. Deshalb hat es auch so lang gedauert, dich zu orten. Ich war über die Äonen hinweg ein paar Dutzend Mal nahe dran. Aber du warst jedes Mal fort, bevor ich dich in die Finger bekommen habe.«
    »Entschuldigung«, sagte Ned.
    »Mach dir nichts draus, alter Junge. Ich wusste immer, dass ich dich finden würde. Einer der Vorteile, unsterblich zu sein. Die Zeit ist immer auf meiner Seite. Ich bin allerdings überrascht, dass deine lästige Wächterin nicht eingegriffen hat.«
    »Die Rote Frau?«, sagte Ned. »Sie ist tot.«
    »Unmöglich.«
    »Sie starb, um mich zu retten.«
    Rucka starrte Ned ins Auge. »Tatsächlich? Wie seltsam. Warum sollte sie sich für eine Illusion opfern? Enttäuschend. Ich hatte gehofft, sie selbst töten zu können. Aber jetzt, wo ich höre, dass sie gestorben ist, um dich zu schützen, kann ich mich zumindest mit der Sinnlosigkeit ihres Opfers trösten.«
    Rucka berührte Neds Wange mit dem Stein. Das Pendel flackerte, obwohl es immer noch nicht viel Licht abgab, und die Hitze versengte Neds Gesicht, ohne ihn tatsächlich zu schmerzen. Er roch Rauch, aber er sah keinen. Sein böser linker Arm versteifte sich, und er machte sich Sorgen, dass er einen Schwinger auf Rucka ausführen könnte. Aber er hörte auf, sich zu sorgen. Rucka zu schlagen würde nichts bringen, aber es konnte ihm auch nicht noch mehr Schwierigkeiten bereiten.
    Etwas, ein Ding in Neds Innerem, regte sich. Die Leere. Vielleicht war es das konzentrierte Böse von Rucka und seiner Festung. Vielleicht war es die Nähe des heiligen Steins. Oder vielleicht war es einfach nur der Druck, das unerträgliche Gefühl von Sinnlosigkeit, die Ungeduld. Aber die Irre Leere war wach. Irgendwo tief in ihm erwachte sie. Sie erhob sich nicht. Stattdessen warf sie sich unruhig herum, wie jemand, der tief schlief, aber von einer sirrenden Mücke an seinem Ohr geplagt wurde.
    Sie war immer da gewesen. Immer. So tief vergraben, dass Ned sie nicht spüren konnte. Vergessen, eine Last, eine Bürde, getragen über tausend Leben von tausend verschiedenen Männern und Frauen, alle bloße Illusionen. Ein Gehäuse aus Fleisch und Blut, falscher Sterblichkeit und nicht erkennbarer Magie, mit offenen Augen geträumt. Sonst nichts.
    Das war alles, was Ned war. Nichts. Warum zum Henker kümmerte es ihn dann? Ob Rucka Erfolg darin hatte, die Macht der Irren Leere an sich zu reißen oder nicht, ob die Illusion von Ned starb oder nicht, er sah keinen Grund, warum er sich auch nur im Geringsten darum scheren sollte.
    Er tat es aber.
    Rucka hatte weitergesprochen, während Ned in sich versunken, die Welt um sich herum vergessend, kein Wort davon gehört hatte.
    »Entschuldige bitte«, sagte der allmächtige dämonische Imperator. »Langweile ich dich?«
    »Ein wenig.«
    Rucka schnaubte. Säurehaltiger Rotz triefte von seinen Nasenlöchern und brutzelte Löcher in den Boden. »Wie ist dein Name? Nicht dein wahrer Name, sondern der Name, den deine Hülle trägt?«
    »Ned.«
    Rucka hob den stacheligen Grat, der ihm als Augenbrauen diente. »Etwa Never Dead Ned?«
    »Du hast von mir gehört?«
    »Ich habe Geschichten gehört. Ab und zu, hier und da. Ich hatte mir sogar einmal überlegt, bei dir vorbeizuschauen. Aber die Irre Leere, versteckt im Körper eines

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