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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Kupferzitadelle nun zum ersten Mal bei Tageslicht sah, entschied Ned, dass seine ursprüngliche Beurteilung der Festung zu freundlich gewesen war. Der ganze Ort befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Die Wände zerbröckelten. Die Gebäude schienen sich im Einsturz zu befinden - in Zeitlupe. Seit sehr langer Zeit war nichts mehr geputzt oder poliert worden, und der Abfall hatte sich in abgelegenen Ecken angehäuft - und auch in weniger abgelegenen Ecken. Die Pflastersteine waren rissig und uneben. Die Wände wurden nur noch durch die stützende Wirkung der Abfallhaufen gehalten. Und das Haupttor war zu verrostet, um überhaupt noch zu schließen.
    Die Soldaten der Oger-Kompanie versammelten sich vor ihrem neuen Kommandeur. Ned ließ den Blick über das Fußvolk schweifen. Die Sonne stand kurz vor dem Untergehen und es fiel schwer, Details zu sehen. Zudem liefen die Soldaten ungeordnet durcheinander, eher ein wirrer Pulk als eine disziplinierte Militäreinheit. Er schätzte etwa dreihundert Oger, einhundert Orks, fünfundsiebzig Menschen, ein paar Elfen und Trolle hier und da. Es gab auch Kobolde, aber zu viele, um sich die Mühe zu machen, sie zu zählen.
    Ned ging von einem Ende des Hofs zum anderen und wieder zurück. Er entschied, dass das genug Show war.
    »Entlassen«, grunzte er.
    »Zurück an eure Aufgaben, ihr armseligen Verschwender!«, rief Gabel. »Euer Anblick macht mich krank, undisziplinierter Abschaum!«
    Der Hof leerte sich allmählich, obwohl keiner einen bestimmten Ort zu haben schien, an den er gehen konnte. Eine Hand voll Soldaten blieb übrig.
    »Sir.« Gabel salutierte. »Sie wollen sicher einen Blick auf unser wichtigeres Personal werfen.«
    Ned wollte nichts dergleichen, aber es schien etwas zu sein, was von einem Kommandeur erwartet wurde. »In Ordnung.«
    »Der Erzmajor hat die Akten, um es Ihnen zu erleichtern, Sir«, sagte Gabel.
    Regina trat mit einem Arm voller Papierrollen vor.
    Ned winkte sie weg. »Stellen Sie sie mir einfach vor.«
    Regina und Gabel tauschten ein Schulterzucken.
    »Sehr gut, Sir.« Gabel führte Ned zum Ersten in der Reihe.
    Der kleine, drahtige Soldat hatte ein verhärmtes Gesicht und einen langen, roten Bart, der bis auf seinen Bauch hing. Auch im Licht der untergehenden Sonne konnte Ned sehen, dass die Augen des Soldaten weiß und glasig wie Perlen waren. Ned warf einen flüchtigen Blick auf das Bild einer untergehenden Sonne, die auf die Stirn des Soldaten tätowiert war.
    »Sie sind also …«, begann Ned.
    »Ja, Sir, das bin ich.« Der Soldat salutierte. »Owens, Orakeldivision.«
    »Ich wusste nicht, dass die Legion immer noch …«
    »Das Programm wurde eingestellt, Sir. Nicht rentabel.«
    »Sind Sie …«
    »Vollkommen blind, Sir.«
    »Haben Sie …«
    »Ja, Sir. Sehr lästig, ich bin mir dessen bewusst. Aber es ist schwer, diese Gewohnheit abzulegen.« Ned rieb sich das Auge. »Sind Sie…«
    »Ich bin sehr gut. Der Beste meiner Art.«
    »Das ist beeindruck…«
    »Danke, aber ich finde, ich muss eine Einschränkung zugeben.«
    Ned öffnete den Mund, doch das ungeduldige Orakel beantwortete auch diese Frage, bevor sie gestellt wurde.
    »Seit ich des Gebrauchs meiner Augen verlustig ging, kann ich die Zukunft nur noch hören.« Das Orakel grinste stolz. »Aber ich höre sie mit einer Erfolgsrate von neunundachtzig Prozent.«
    Die Information hatte Neds Gehirn kaum erreicht, als das Orakel auch schon weitersprach.
    »Es juckt noch ein bisschen, Sir, aber etwas Salbe sollte helfen. Und danke für Ihre Anteilnahme.«
    »Was?«
    »Mein Ausschlag. Das wollten Sie doch fragen, oder?«
    »Nein.«
    »Sind Sie sicher? Wir denken oft, wir wollen etwas sagen, äußern letztendlich dann aber etwas ganz anderes.«
    »Ich bin ganz sicher«, antwortete Ned.
    »Mein Fehler, Sir. Wenn man in neunundachtzig Prozent der Fälle Recht hat, irrt man sich in den anderen elf Prozerrt.« Er deutete auf seine Nase. »Ich rieche die Zukunft mit einer Genauigkeit von achtundneunzig Prozent.«
    Owens antwortete, bevor er gefragt wurde. »Nein, bisher hat es sich noch nicht als sehr nützlich herausgestellt. Gesundheit, Sir.«
    »Ich habe nicht geniest.«
    Das Orakel grub mit dem Finger in seinem Ohr. »Sie werden.«
    Ned ging zum Nächsten in der Reihe weiter, einem hoch aufragenden, zweiköpfigen Oger. Solche Zwillinge wurden selten geboren und überlebten noch seltener die Phase des Heranwachsens, die empfindlichen Entwicklungsjahre, in denen Oger zu ihrem gefährlichsten und

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