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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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oder zwei - gesetzt den Fall, dass er nicht doch noch an Altersschwäche sterben konnte, was er nicht wusste -, und ihm würde langweilig werden. Er senkte sein Ziel auf vernünftigere wenige Stunden des Friedens und der Ruhe, bevor ihn das Leben wieder überfiel.
    Was ihn aber tatsächlich unter den Laken hielt, war die Angst. Nicht die Angst vor dem Tod, die er vor langer Zeit verloren hatte. Nicht die Angst vor der Auferstehung, die er widerwillig akzeptierte. Was ihn verfolgte, war das Unbekannte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er gestorben war. Alles, woran er sich erinnerte, war, dass er seine Sachen gepackt hatte und aus dem Raum gegangen war, um zu desertieren. Und dann…
    Das Erwachen. Wie er gestorben war, wer ihn getötet hatte, oder ob es lediglich wieder ein Unfall gewesen war. Alle diese Details fehlten ihm. Ohne die leiseste Ahnung, was ihm den Garaus gemacht hatte, wusste er nicht, wie er es beim nächsten Mal vermeiden konnte. Bisher war Ned nie zweimal denselben Tod gestorben, und er hatte auch nicht die Absicht, jetzt damit anzufangen.
    Er hatte die blasse, beinahe unsichtbare Verbrennung auf seiner Brust bemerkt. Es musste etwas damit zu tun haben. Dieses Mal wünschte er, die Rote Frau wäre dageblieben, nachdem sie ihn aufgeweckt hatte. Sie hätte er fragen können, ohne in Verlegenheit zu geraten. Er weigerte sich, jemand anders zu fragen. Es wäre einfach zu peinlich gewesen, zu grotesk. Er wollte es lieber nicht wissen.
    Aber das ließ die Frage nach der Tür offen und welches schreckliche Schicksal ihn auf der anderen Seite erwartete. Das Rätsel quälte ihn ein paar Stunden lang, aber Neds Geist war nicht von dem Entschluss besessen, lange an einer einzelnen Zwangsvorstellung festzuhalten. Schließlich ging ihm der Wein aus und der tröstliche Ruf des Alkohols war eines der wenigen Dinge, die in der Lage waren, ihn zum Handeln zu bringen. Er stand auf, zögerte jedoch an der Tür. Und dann, ohne Rücksicht darauf, welcher namenlose Tod auf ihn warten mochte, öffnete er sie.
    Er starb nicht, und das überraschte ihn nicht. Das wäre zu einfach gewesen. Nein, die Sache war die, dass der Tod jedes Mal als Schock eingetreten war. Es war nur natürlich anzunehmen, dass ein Mann, der schon so oft gestorben war, ein Gefühl dafür entwickeln würde. Aber bisher hatte er es nie kommen sehen. Was ihn dazu veranlasste, sich zu fragen, warum er sich überhaupt die Mühe machte, sich zu sorgen. Da er es nicht vorhersagen konnte, zumal gefährliche Dinge ihn nicht immer umbrachten, harmlose aber manchmal doch und genauso oft andersherum, alles ohne erkennbares Muster - darum waren Sorgen zwecklos.
    Er sorgte sich trotzdem genauso, wie er sich über alles sorgte: nicht besonders. Sorgen setzten Kontrolle voraus oder zumindest die Illusion von Kontrolle. Ned hatte diese Illusion vor langer Zeit aufgegeben. Er übersprang das Sorgenmachen oft ganz und ging lediglich mit einem kleinen Zwischenstopp bei der Verstimmung direkt zur Akzeptanz über. Wenn er während dieses Prozesses zum Stillstand kam (was manchmal vorkommen konnte), benutzte er Schnaps, um die Reise wieder anzuschieben.
    Er trat in den Flur. Die Tür schloss sich hinter ihm, und einen Augenblick später wurde Ned klar, dass er diesen Drink eigentlich gar nicht brauchte - zumindest nicht, um unter Leute zu gehen oder sich mit anderen Betrunkenen zu befassen. Er drehte sich um, aber irgendetwas, ein überwältigendes Grauen, hielt ihn davon ab, die Türklinke zu berühren. Er wusste nichts von Miriams Gesang, aber er wusste, dass er es nicht wagte, zurück in den Raum zu gehen.
    Gelächter und widerwärtiges Geschrei füllten den Flur. Soldaten kamen. Statt zu bleiben und sich ihnen zu stellen, stieg er in der Hoffnung zu entrinnen eine nahe Treppe hinauf. Er folgte der Spirale ganz nach oben, wo er eine Falltür öffnete und auf den Wachturm und in die kalte Nachtluft hinaustrat. Hier hätten Wachen postiert sein sollen, doch der Ort war verlassen. Erleichtert setzte sich Ned, damit ihn niemand von unten entdecken konnte (nicht, dass irgend-j emand so wachsam gewesen wäre), und dachte an gar nichts.
    Nicht viel später erklomm noch jemand anders diese Treppe. Ned sank in den Schatten zusammen, so gut er konnte. Er hoffte, nicht entdeckt zu werden, wusste aber, dass die Hoffnung vergebens war. Eine kleine Gestalt, zu groß für einen Kobold, aber zu klein für einen Oger, erschien in der Öffnung der Falltür. Es war zwar eine

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