Die Kompanie der Oger
länger zu ignorieren. Sie bewunderte, dass er so lange widerstanden hatte, jetzt aber plante er, ihr bei einem ruhigen Treffen hinter geschlossenen Türen seine Zuneigung zu gestehen. Sie hatte noch nicht entschieden, wie sie damit umgehen wollte. Ihre Kultur hatte den Nutzen von Männern nie vollständig verneinen können - und es gab Vorschriften darüber, wie sich ein außergewöhnlicher Mann der Liebe einer Amazone würdig erweisen konnte. Sie bezweifelte zwar stark, dass Ned ein solcher Mann war, aber das war ihr im Augenblick egal.
Bevor sie antrat, zog sie ihr bestes Gewand an, einen Anzug mit Zeremonienharnisch, den sie Jahre nicht mehr getragen hatte. Er war nicht für den Kampf gedacht, eine Tatsache, die durch das tiefe Dekollete des Kettenhemd-Mieders und die Kürze des Metallrocks offensichtlich gemacht wurde.
Sie hatte schreckliche Schwierigkeiten, die polierten Lederstiefel anzuziehen, die bis zu den Oberschenkeln reichten. Sie waren immer hauteng gewesen und ihre Schenkel, so ungern sie es auch zugab, waren nicht mehr so vollkommen geformt, wie sie es einmal gewesen waren. Sie studierte sich selbst fünf Minuten lang in einem mannshohen Spiegel, schob Schnallen zurecht, verstellte Riemen und schob abwechselnd ihre Brüste hoch und steckte sie wieder zurück, bis sie genau die richtige Menge Dekollete erreicht hatte. Sie ging ihre vielen Umhänge durch, entschied sich für einen fließenden purpurroten, entschied dann aber, dass sie ihn doch nicht mochte und nahm einen kürzeren schwarzen, der ihre Schultern betonte, ohne ihren Hintern zu verstecken.
Als Nächstes sah sie ihre zahlreichen Waffen durch. Amazonen sammelten Waffen wie Drachen die Knochen von Helden, und Regina hatte eine besonders ausgeprägte Neigung, was das betraf. Sie suchte nach genau der richtigen für ihre Hüfte. Ein überdimensionales zweischneidiges Langschwert war ihre beste Waffe, aber es war zu unpraktisch und würde die Anmut ihres Gangs beeinträchtigen. Ein kurzes Schwert wäre bequem gewesen, allerdings zu bequem. Sie wollte nicht zu lässig erscheinen. Sie erwog und verwarf ein Paar Säbel. Zu protzig. Und sie dachte kurz an etwas Unkonventionelles wie ihren Dreizack oder ihren Schlägel, beschloss aber, dass es aussehen könnte, als würde sie sich große Mühe geben. Schließlich legte sie ihr gewöhnliches, von der Legion gestelltes Schwert um. Nicht ihre beste Waffe, für diesen Anlass aber die geeignetste.
Sich selbst im Spiegel prüfend entschied sie, es könne keinen Zweifel daran geben, dass sie das schönste und unwiderstehlichste aller Geschöpfe war. Miriam mit all ihrem jenseitigen Charme konnte niemals mit der makellosen Pracht einer Amazonenkriegerin in den besten Jahren mithalten. Regina lächelte mit nicht geringem Stolz.
Dann sah sie sie, und ihre Zuversicht schwand. Krähenfüße. Kaum wahrnehmbare Falten um ihre Augen. Sie blickte finster drein und die Falten vertieften sich.
Sie beugte sich dichter zum Spiegel hin und dieser winzige Makel wurde größer. Sie war nicht so alt. Sie sollte so etwas nicht haben. Sie beugte sich noch weiter vor und fuhr mit den Fingern an den hässlichen Klüften in ihrer Haut entlang. Als sie ihre Haut berührte, bemerkte sie die Trockenheit. Und ihre Augen standen zu dicht zusammen. Oder möglicherweise zu weit auseinander. So oder so, sie befanden sich jedenfalls in einem unvollkommenen Abstand. Und war ihre Nase eigentlich schon immer so spitz gewesen? Ihre blonden Augenbrauen hatten es dringend nötig, gezupft zu werden. Und war das ein Leberfleck da, gleich unter ihrem linken Ohrläppchen?
Sie war nicht makellos. Im Gegenteil, sie schien übersät mit Fehlern. Hunderte, die sie bemerkte. Vermutlich Tausende, die sie noch nicht bemerkt hatte. Aber Ned hatte es bemerkt. Er musste. Deshalb hatte er ihr seine Gefühle nicht gestanden. Er hatte keine. Er konnte sich unmöglich für eine so entsetzliche Kreatur interessieren, ein so unvollkommenes Ding wie sie. Warum hatte sie nicht besser auf sich geachtet? Warum war sie so nachlässig gewesen?
Weil sie eine Amazone war. Und Amazonen sollten sich über solche Dinge keine Gedanken machen. Aber jetzt tat sie es doch und starrte sich böse an. Diese fiesen Falten zogen ihre verdorbenen Spuren über ihr angriffslustiges Gesicht. Und sie starrte sich noch böser an, als ihr klar wurde, dass es ihr etwas ausmachte.
Miriam musste sich keine Sorgen über diese Dinge machen. Ihre verflixten goldenen Schuppen waren so
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